Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Mc Dowall
Vom Netzwerk:
mehr Drogen gesehen habe als während meiner gesamten Zeit im Myrtle Cottage. Drogen waren nebensächlich, von Interesse allenfalls für die lockeren Mitläufer. Claire, Nigel und die anderen, der wahre, harte Kern, die rührten das Zeugs kaum an. Wenn überhaupt. Für die waren Drogen eine Ablenkung, und die Tatsache, dass sie illegal waren, machten sie in ihren Augen zu einer Gefahr. Drogen verhalfen den Staatsschnüfflern zu einem willkommenen Grund, wen immer sie wollten zu durchsuchen und auf links zu drehen . Wie ich später begriff, lebte Claire in der ständigen Angst, sie könnte verhaftet und ihr gesamter Besitz genauestens unter die Lupe genommen werden. Was ironischerweise dann ja auch geschah. Allerdings erst, wie Sie wissen, nachdem sie vergewaltigt, schrecklich zugerichtet und dem Tod überlassen worden war.
    Ich nehme an, die Erwartung war, dass ich nach der Party weiterziehen würde. Nur wohin? Ich brannte nicht unbedingt darauf, einen neuen Scheißjob in einer neuen Scheißstadt zu finden, um, wenn ich Glück hatte, so viel zu verdienen, dass ich mir ein verstunkenes kleines Loch zum Schlafen leisten konnte. Es waren die Achtziger, vergessen wir das nicht: Millionen waren ohne Arbeit, ganze Industriezweige fielen in sich zusammen, und Maggie jagte die Gewerkschaften mit erhobenem Knüppel von Land’s End nach John O’Groats. Als Christine ihr Zelt eingepackt hatte, ging ich zurück zum Cottage. Es sah überall fürchterlich aus, und ich zierte mich nicht lange, sondern beteiligte mich am großen Aufräumen nach der Party. Keiner schien was dagegen zu haben. Besonders Nigel war an jenem ersten Tag richtiggehend nett zu mir, wollte wissen, woher ich kam, was ich machte und über dies und jenes dachte, politische Fragen vor allem: Falklandkrieg, Streiks und Entlassungen, nukleare Bedrohung. Offenbar gefiel ihm der Gedanke, dass ich aus der Gegend stammte, in Crowby geboren und aufgewachsen war, dazu noch in einer Sozialsiedlung, ein wahrer Sohn des geknechteten Volkes. Viel später erst begriff ich, dass der harte Kern besessen war von der Idee, dem Proletariat die Hand zu reichen, um es für die revolutionäre Sache zu gewinnen. Nachmittags luden wir gemeinsam mit einem wortkargen Burschen namens Oliver den gesammelten Partymüll in einen Transporter. Nigel fuhr uns zur städtischen Müllkippe, wo sie gerade angefangen hatten, ein paar Dinge zu recyceln, und wir sortierten unsere Dosen, Flaschen und Pappteller. Ökologie, das war ein wichtiges Thema im Myrtle Cottage, Jahre bevor Regierung und Wirtschaft auf den Zug aufsprangen. Das ist auch ein Aspekt der Geschichte, der in den Zeitungen kein einziges Mal auftauchte.
    Jemand schlug mir vor, ich solle zum gemeinsamen Abendessen bleiben, und ich sträubte mich nicht, denn wenn ich so lange blieb, würde ich sicher auch noch mal übernachten können. Es gab einen Linsenauflauf, mein Freund, den wir mit ein paar Gläsern von dem starken Reiswein herunterspülten, den Andy (Näheres zu ihm folgt später) offenbar unten im Keller in großen Mengen zusammenbraute. Das alles erklärt, wie ich dazu gekommen bin, an meinem ersten montagabendlichen Planungstreffen der Myrtle-Cottage-Anti-Airbase-Allianz teilzunehmen, obwohl es eigentlich ein Dienstag war. In dem Jahr war Halloween auf einen Montag gefallen, deshalb war das wöchentliche Treffen, das nicht ausfallen durfte, um einen Tag verschoben worden.
    Das Wohnzimmer war der einzige Raum im Haus, in den alle, die an dem Treffen teilnehmen wollten, hineinpassten, wobei es ein ziemliches Gedränge gab. Zu den damaligen Bewohnern des Cottages und seiner Umgebung kamen noch einige regelmäßige Besucher aus Crowby und Wynarth, Studenten und Dozenten der Fachhochschule, ein paar alt gewordene Aktivisten der Bewegung für nukleare Abrüstung, die sich noch an die Proteste in den Sechzigern erinnern konnten, und als besondere Attraktion an diesem Abend ein paar Frauen vom Friedenscamp Greenham, die zur Party hergetrampt waren und sich bereit erklärt hatten, über den Stand der Dinge im Protest gegen die amerikanischen Nuklearraketen auf der Airbase Greenham Common zu berichten. Nigel und Claire standen im Zentrum, sie waren die klaren, wenn auch inoffiziellen Anführer des Protests. Claire hatte ihre Hexenkluft abgelegt und trug normale Jeans und einen einfachen blauen Pullover, doch das änderte nichts: Sie war eine der Frauen, die in allem, was sie anhaben (oder nicht anhaben), gut aussehen. Nigel sah ohne

Weitere Kostenlose Bücher