Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Mc Dowall
Vom Netzwerk:
beugte Jacobson sich über die Leiche, um sie genauer in Augenschein zu nehmen. Was das Alter anging, hatte Hume richtig geschätzt. Siebenundzwanzig, vielleicht achtundzwanzig. Auf jeden Fall Mitte, Ende zwanzig. Ihre Kleidung kam ihm teuer vor, wenn er da auch kein Experte war. Perfekt geschnittene Jeans, ein seidig wirkendes Oberteil, ärmellos, bauchfrei. So was trugen junge Frauen um diese Jahreszeit, wenn sie abends ausgingen. Sie hatte rote Haare und eine gute Figur. Auch was Hume über die Tötungsart gesagt hatte, stimmte.. ẵ wenigstens, was den Schuss betraf, über alles andere würde Robinson Auskunft geben. Der Mund sah eindeutig, nun, nicht richtig aus. Aber die eingehendere Untersuchung überließ Jacobson nur zu gern Robinson. Die Haut rund um das Einschussloch war aufgerissen und rußig, was, soweit Jacobson das beurteilen konnte, auf einen Schuss mit aufgelegtem Lauf schließen ließ. Genau wie bei Martin Grove. Doch weder er selbst noch Mick Hume war Experte, was das betraf, und er wusste, nur eine genaue wissenschaftliche Untersuchung würde letztlich bestätigen können, dass die beiden Morde auf die gleiche Weise begangen worden waren.
    Er richtete sich auf und machte Platz für den Mann mit der Kamera, der den Tatort abfilmte. Hume und DC Williams standen ein paar Meter weiter unter einer Weide, um den Spurensicherern, die längst mit ihrer Arbeit begonnen hatten, nicht in die Quere zu kommen. Bei ihnen standen die beiden uniformierten jungen PCs, die den grausigen Fund gemacht hatten. Der eine war leichenblass. So hatte Jacobson sicher auch ausgesehen, als er gefühlte Äonen zuvor, in einer prähistorischen Vergangenheit, sein erstes Mordopfer gesehen hatte.
    Er holte sein Handy heraus und erledigte ein paar Anrufe. Der Fall hatte von Anfang an eine hohe Dringlichkeitsstufe gehabt, aber die war jetzt noch weiter hochgeschnellt. Weder in Los Angeles noch in London konnte man davon ausgehen, dass zwei Morde, die innerhalb einer Nacht und kaum weiter als eine Meile von-einander entfernt begangen wurden, miteinander zu tun hatten ế Aber sie waren hier in Crowby, und die äußeren Umstände sprachen eine ziemlich eindeutige Sprache, woraus folgte, dass sie von allem mehr brauchten: mehr Spurensicherer, mehr Detectives, mehr uniformierte Fußtruppen ế Es half nichts, er musste mit seinem Chef sprechen, sowenig ihm auch der Sinn danach stand. Greg Salter würde vor allem eine Strategie für den Umgang mit den Medien verabreden wollen (und sei es nur, um sich selbst wieder ins Fernsehen zu bringen), und Jacobson wusste nur zu gut, dass es besser war, seinen Einfluss geltend zu machen, wenn es um die Frage ging, was verlautbart wurde und was nicht, als diese Entscheidung allein Schleimer Gregs publicitysüchtigen Instinkten zu überlass en ế
    Die Anrufe kosteten ihn zehn Minuten, und dann tauchten auch schon, fast gleichzeitig, Kerr und Robinson auf. Robinson nahm seine In-situ-Untersuchung professionell und sorgfältig vor, was bedeutete, dass er elend lange brauchte. So stand Jacobson eine ganze Stunde wartend im Crowcross Wood.. ế und dann wurde ihm plötzlich bewusst, wo genau verdammt noch mal er sich hier befand. Betroffen ging er zu der alten Weide hinüber, wo Hume und Williams eben noch mit den beiden jungen Constables gestanden hatten. HG + HS 1903 – die Initialen und die Jahreszahl waren immer noch deutlich zu erkennen, genau wie das Herz, in dem sie standen. Er verspürte den Drang, seine Schutzhandschuhe auszuziehen und die kühle Rinde zu berühren. Ein Stück Vergangenheit, von einem Liebespaar in edwardianischer Zeit in die Rinde dieses Baumes geritzt. Von zwei Verlobten womöglich, die an einem Sonntagnachmittag mit dem Fahrrad aufs Land gefahren waren. Es war eines dieser merkwürdigen kleinen Details, die man Jahr um Jahr unbewusst mit sich herumtrug, bis sie plötzlich wieder wichtig wurden. Sie war nicht das erste Mordopfer gewesen, das Jacobson je gesehen hatte, eher das fünfte oder sechste, und doch war es ihre Leiche gewesen, die ihn buchstäblich krank gemacht hatte. Als hätte ihm jemand sein Innerstes nach außen drehen wollen.
    Es war ein Reifungserlebnis gewesen, etwas, das jedem Polizeibeamten früher oder später widerfuhr. Claire Oldham hatte den jungen Jacobson sein Frühstück hervorwürgen lassen, sein Abend- und sein Mittagessen. Als jüngster und unbedarftester Angehöriger des CID Crowby, kaum einen Monat aus der Uniform heraus, war er nur am Rande mit

Weitere Kostenlose Bücher