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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Mc Dowall
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Hölle war. Aber das konnte ich da noch nicht ahnen.
    Die eigentliche Hauptaufgabe des Zaun-Kom bestand in der Planung illegaler Aktionen. Alle wussten das. Nach und nach bekam ich aber mit, dass auch über bürokratische Hilfsmaßnahmen nachgedacht wurde, langweiligen Unsinn, wie ich zu der Zeit fand. Claire ging zum Beispiel davon aus, dass der Zaun ohne die notwendigen örtlichen Planungsbeschlüsse errichtet worden war. Gleich beim ersten Treffen kam sie darauf zu sprechen. (Wie sich heraus stell te, lag sie damit falsch. Das Verteidigungsministerium brauchte keine Erlaubnis, um das eigene Land einzuzäunen.)
    »Als Besitzerin eines angrenzenden Grundstücks könnte ich versuchen, beim County Council Einspruch einzulegen«, erklärte sie uns.
    Als Besitzerin. Selbst heute noch, nach all den Jahren, höre ich sie diese beiden erstaunlichen Worte aussprechen. In meiner Naivität hatte ich gedacht, dass wir das Cottage besetzt hielten. Nie hätte ich für möglich gehalten, dass wir ganz legal da waren, mit Erlaubnis des Eigentümers, geschweige denn, dass Claire die Eigentümerin von Myrtle Cottage und dem dazugehörigen Land sein könnte. Klar, ich hatte mich schon gewundert, wieso wir ans Stromnetz angeschlossen waren und einen Telefonanschluss hatten und wieso das Sozialamt kein Theater machte wegen der Adresse, die ich angegeben hatte. Aber ich hatte nie eins und eins zusammengezählt. Ich war eben jung und naiv. Im Gegensatz zu heute, da ich alt bin und Dinge gelernt habe, die ich damals schon hätte wissen sollen.
    Mein Erstaunen muss unübersehbar gewesen sein.
    Claire lächelte mich an.
    »Oh, tut mir leid, Martin, ich dachte, du wüsstest es. Die anderen wissen es ja auch alle«, sagte sie sanft.
    Sie hatte sich an dem Tag das Haar zurückgebunden (vielleicht, weil die Dusche im altersschwachen Bad kaputt war) . Mir gefiel sie so. Ihre schönen, gleichmäßigen Züge und die warmen, himmelblauen Augen kamen so erst richtig zur Geltung. Nicht dass Claires Aussehen das Wichtigste an ihr gewesen wäre. Weder für mich noch für die anderen . Nicht mal ansatzweise. Claire packte das Leben beim Schopf, das war es, was ihre Besonderheit ausmachte. Sie brachte einen dazu, es ihr nachtun zu wollen. Sich ihr anschließen und zupacken zu wollen.
    »Claire ist ein verwöhntes reiches Mädchen, Martin«, sagte Nigel. »Ein Klassenfeind, der die Seiten gewechselt hat.«
    »Besser als einer, der sie nicht gewechselt hat«, bemerkte ein anderer, wahrscheinlich Andy.
    Alle lachten.
    Als die Besprechung zu Ende war (wobei am ersten Tag nicht viel entschieden worden war), sagten Claire und Nigel, sie wollten noch zum Crowcross Wood hinüber, um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Mich, nur mich, luden sie ein, mit ihnen zu kommen.
    »Ja, sicher«, sagte ich, oder etwas ähnlich Einsilbiges.
    Das Zaun-Kom ölte seine Debatten gern mit Andys starkem Reiswein. Nigel griff sich eine Flasche, die noch zu zwei Dritteln gefüllt war, drückte den Korken zurück in den Hals, und wir zogen los.
    Ich war enttäuscht, dass wir nicht Claires MG nahmen, aber der war ein klassischer Zweisitzer und Nigel und ich passten unmöglich beide auf den Beifahrersitz. Also fuhren wir in Nigels mitgenommenem grauen Kleinbus. Wir hätten auch zu Fuß zum Wald hinübergehen können, aber Claire musste noch ein paar Briefe einwerfen, und so fuhren wir erst nach Crowcross und parkten dann auf einem Waldweg.
    Es war ein windstiller Herbsttag. Das Laub unter unseren Füßen nahm eine goldene Farbe an, und hoch oben in den Zweigen der Bäume jagten sich ein paar Eichhörnchen. In der Ferne war Krähenrufen zu hören. Wir ließen die Flasche kreisen, und die beiden erzählten mir mehr von sich, als ich je erwartet hätte.
    Claire war, wie sie es nannte, »solide« erzogen worden. Ihr Vater war Banker (in dritter Generation), und bevor sie nach Oxford gegangen war (wo sie Nigel kennengelernt hatte), war sie in Roedean gewesen. Als ich damit offensichtlich nichts anzufangen wusste, erklärte Nigel, das sei eine der besten Privatschulen für Mädchen, so etwas wie das weibliche Gegenstück zu Eton. Als die Geschichte über die Umwidmung des alten Flugplatzes in die Presse gekommen war, hatte Claire einen, wie es schien, bescheidenen Teil ihrer persönlichen Einkünfte darauf verwandt, Myrtle Cottage zu kaufen.
    Nigels Herkunft dagegen unterschied sich nicht allzu sehr von meiner. Er war in einer Sozialwohnung in den Midlands aufgewachsen, die Vorfahren

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