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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Mc Dowall
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wartete.
    Hoffnungen zerfielen am Ende zu Staub, das wurde hier augenfällig. Es roch trübe nach Niederlage, und es war ein Fehler gewesen anzuhalten, ein Fehler, auch nur aus dem Fenster zu sehen. Er war nicht mehr der Nigel von damals. Der an bestimmte Dinge geglaubt hatte, an wilden, unmöglichen Wechsel. Heute glaubte er an gar nichts mehr und wurde allein vom animalischen Instinkt des Selbsterhalts in Form von Mehrung und Wahrung seines Wohlstands gesteuert. Ideale hatten da keinen Platz.
    Ein junger Kerl kletterte aus dem Haus, aus dem Nigel vorher die Musik hatte schallen hören, drehte sich um und brachte die Bretter, die er zum Herauskommen zur Seite geschoben hatte, wieder in Stellung. Er war spindeldürr und fahrig und trug trotz der Hitze eine Jacke, deren Reißverschluss er bis unters Kinn hochgezogen hatte. Als er aus dem »Vorgarten« trat und Nigel erblickte, blieb er mitten auf dem kaputten Bürgersteig stehen und versperrte ihm den Weg. Außer ihnen war niemand auf der Straße, alle anderen versteckten sich drinnen, entweder noch bewusstlos von der vergangenen Nacht oder schon wieder so weit angeturnt, dass der neue Tag erträglich wurde.
    »Haste Kohle für uns, Kumpel?«, sagte er.
    Nigel wahrte Abstand, fingerte zwei Zwei-Pfund-Münzen aus der Tasche und hielt sie dem Jungen auf der Handfläche hin.
    »Vier Pfund? Das reicht nicht, Mann.«
    Trotzdem nahm er die Münzen, und dann fuhr er sich mit der Hand unter die Jacke.
    Nigel atmete ruhig und sah den Griff des Messers, noch bevor dessen Besitzer so weit war. Es schien kaum nötig, dem Burschen noch mehr wehzutun, als sein vergeudetes Leben es ohnehin schon getan hatte. Aber er ließ ihn dennoch nicht ungeschoren, ohrfeigte ihn und trat ihm die Beine unter dem Körper weg. Der Junge landete ziemlich unsanft auf dem Boden, flüchtete sich an die zerfallende Vorgartenmauer und rieb sich den schmerzenden Hintern.
    Nigel holte seine Brieftasche heraus, fand einen frischen, sauberen Zwanziger, hielt ihn hoch in die heiße, reglose Luft und ließ ihn los.
    »Hier, mein Junge«, sagte er und verfolgte, wie der Geldschein zu Boden trudelte. »Zwanzig auf Trotzki.«
    Jacobson schaffte es in den großen Besprechungsraum im dritten Stock des Präsidiums nur in letzter Minute, bevor Greg Salters Pressekonferenz begann. Über den Mord an Martin Grove würde mit Sicherheit in den überregionalen Nachrichten berichtet werden, und das wäre auch ohne den zweiten, wahrscheinlich damit in Zusammenhang stehenden Mord so gewesen ẵ Nicht allein, weil die Leute immer noch an Grove interessiert waren, sondern auch, weil der Mord an Claire Oldham einer jener seltenen Fälle gewesen war, die tief ins öffentliche Bewusstsein eindrangen, und das nicht nur für ein paar Wochen oder Monate. Es hatte Dokudramen und Fernsehberichte darüber gegeben (von denen einige immer noch hin und wieder in den Satellitenkanälen auftauchten), True-Crime-Bücher und jede Menge Zeitungs- und Zeitschriftenartikel.
    Die Pressesprecherin der Polizei, Caroline Little, hatte seit dem Frühstück damit zu tun gehabt, Zusagen, vorab nichts zu berichten, mit guten Plätzen im Konferenzraum zu belohnen. Aber mit der Konferenz wurde der Deckel gelüftet, und die Geschichte würde über alle verfügbaren Kanäle verbreitet werden. Jacobson hätte gern noch ein paar Stunden ohne Medienaufmerksamkeit gehabt, doch der Fund des zweiten, unbekannten Opfers hatte das vereitelt. Die schnellste Möglichkeit, die Tote zu identifizieren, war aller Wahrscheinlichkeit nach der Weg an die Öffentlichkeit. Wobei neunundneunzig Prozent der eingehenden Hinweise in der Regel ohne jeden Nutzen waren, oder schlimmer. Alles, was Jacobson brauchte, war der eine, Licht ins Dunkel bringende Anruf.
    Er setzte sich auf den dritten Stuhl auf dem Podium und schenkte sich aus dem großen Krug, der auf dem Tisch stand, ein Glas Wasser ein. Salter, herausgeputzt mit seinem neuesten Paul-Smith-Anzug, saß in der Mitte. Zu seiner Rechten machte Caroline Little eine letzte Mikrofonprobe. Eins , zwei. Eins, zwei. Wie ist das jetzt?
    Den Journalisten war beim Hereinkommen eine ausgedruckte Version der Presseerklärung ausgehändigt worden, die Salter nun für die Kameras und Mikros verlas. Jacobson lauschte mit unbewegter Miene. Wenn man im Fernsehen schon nicht gut aussah, konnte man wenigstens darauf achten, dass man nicht dämlich rüberkam. Schleimer Greg, der Meister vorgetäuschter Würde und bedeutungsschwangerer Pausen,

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