Die Toten von Crowcross
eingesetzt, um an eine Information zu kommen. Und jetzt kam dieses Sky-Reporter daher und schor ihn mit Leuten wie DCI Hunter und all den anderen korrupten Dinosauriern, die schon Vorjahren in Pension geschickt worden waren, über einen Kamm.
Er trank sein Vitamingebräu und wurde etwas ruhiger. Es gab kein absolut wahres menschliches Wissen, und doch hatte Jacobson versucht, sich gegenüber allen Verdächtigen, mit denen er je konfrontiert gewesen war, objektiv zu verhalten. Darauf konnte er sich etwas einbilden, und es hatte keinen Sinn, Martin Grove, jetzt, da er tot war, Krokodilstränen nachzuweinen. Wenn, dann hätte er damals etwas tun müssen, als Hunter Grove in den Klauen gehabt und ein Geständnis aus ihm herausgepresst hatte. Natürlich hatte Jacobson da seine Entschuldigungen. Er war jung und unerfahren gewesen und hatte kaum mit dem Fall zu tun gehabt. Im Übrigen hätte keiner von den wichtigen, offiziellen Drecksäcken auch nur im Mindesten von ihm Notiz genommen; allenfalls wäre er zum Störenfried erklärt worden, den es aus der Polizei zu entfernen galt. Wobei Grove ja auch ihm schuldig vorgekommen war und es Jahre gedauert hatte, bis sich das Gegenteil hatte beweisen lassen.
Trotzdem, der Reporter hatte einen Nerv getroffen. Einem Mann war sein Leben gestohlen worden, und Jacobson hatte dabeigesessen und nichts dagegen unternommen. Rein gar nichts. Das traf ihn tief. Es gab zwar auch andere Heilmittel wie etwa Alkohol, aber am wirksamsten, das wusste Jacobson, war immer noch die Arbeit. Er schaltete sein Handy wieder ein und fragte bei DS Kerr und dem Rest der Mannschaft nach, wie es stand. Arbeit und immer noch mehr Arbeit.
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Martin Grove.doc
Von meinem Dad habe ich Ihnen doch schon erzählt, oder? Er verschwand, als ich acht war, brannte mit einer jüngeren Frau durch und hatte für seinen einzigen Sohn keine Zeit mehr. Meine Mutter tat ihr Bestes, aber es war schwer für sie. Ich wuchs in Woodlands auf, das damals zwar noch nicht so schlimm war wie heute, aber doch schlimm genug. Wir saßen oben in einem der Hochhäuser fest, waren da mehr oder weniger eingesperrt, im Alexander-Pope-Haus. Jahre später, als ich herausfand, wer Alexander Pope tatsächlich gewesen war, hat es mich vor Lachen fast zerrissen. Stellen Sie sich nur vor, wie gerade Pope, der versnobte Dichterwinzling, (mit seinem Spottgedicht The Dunciad unter dem Arm) in den Aufzug steigt (sich das traut) oder seinen deformierten Körper die Treppe hinauf bis in den zwölften Stock schleppt. Ich habe noch Fotos von meiner Mutter als junger Frau, dunkelhaarig und attraktiv. Aber so erinnere ich mich nicht an sie, ganz und gar nicht. Während meiner Kinderzeit war sie dünn, geradezu dürr, ausgelaugt, und sah viel älter aus, als sie war. Sie ging privat putzen und hat sich nie um Sozialhilfe bemüht. Stand immer im Morgengrauen auf, fuhr mit dem ersten Bus in die Stadt und nahm dort einen in eine feinere Gegend, die Bartons vielleicht, oder sie putzte eins der großen Häuser in der Wynarth Road. Ich möchte mir gern vorstellen, dass ihr ihre Arbeit gefallen hat, wenigstens manchmal. Da muss es doch Stunden gegeben haben, während derer sie diese schönen, großen Häuser ganz für sich hatte. Vielleicht sogar ganze Vormittage oder Nachmittage, an denen sie sich zwischendurch in der schönen Küche eine gute Tasse Tee kochen, das Radio anstellen und für eine Weile die Füße hochlegen konnte. Das hoffe ich. Verdammt noch mal, ja.
Ich ging selbstständig in die Schule, und als ich älter wurde, nach der Grundschule, fing ich an zu tun, was mir gefiel; mal ging ich hin, dann wieder nicht. Aber meine Mum hat mich geliebt und es tausendmal bewiesen. Ich war ja auch kein Kind, das krumme Sachen drehte. Normalerweise nicht. Wenn ich schwänzte, zog ich nicht durch die Straßen und suchte Streit. Ich blieb einfach gern gemütlich zu Hause, träumte vor mich hin oder sah fern. Nicht, dass tagsüber viel gekommen wäre. Wir hatten nur drei Kanäle, lieber Leser, eins, zwei, drei, zählen Sie mit. Wofür meine Mum damals lebte, das waren die Wochenenden, denke ich. Sie hatte zwei Freundinnen, Carole und Diane. Samstags abends nahmen die drei ein Taxi nach Crowby rein, immer in ihren besten Sachen, und zogen bis spät um die Häuser. Solange ich klein war, hatte ich immer Babysitter, machen Sie sich da mal nur keine Sorgen. Ältere Mädchen aus dem Haus. Manchmal schmuggelten sie ihre Freunde mit herein, wenn sie dachten, dass ich im
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