Die Toten von Crowcross
war in seinem Element. Der Körper eines Mannes, bei dem es sich unserer Annahme nach um Martin Grove handelt, wurde tot in einem Haus außerhalb von Crowcross Village auf gefunden. Die Fachleute vor Ort haben bestätigt, dass Mr Grove erschossen wurde, und die Morduntersuchung, geleitet von Chief Inspector Frank Jacobson, ist bereits in vollem Gang …
Anerkennend musste festgestellt werden, dass Salter, unterstützt von der Pressestelle, sich daran hielt, nicht mehr als das vereinbarte Minimum preiszugeben. Die Fakten, die man für sich behielt, waren immer wichtiger als die, die man öffentlich machte. Besonders zu Anfang. Was die Tote im Wald betraf, gab es natürlich nicht viel, das sie für sich behalten konnten (abgesehen von der Geschichte mit der Zunge), wussten sie bis jetzt doch praktisch nichts über sie. Caroline Little hielt einen kleinen elektronischen Apparat in der Hand (er erinnerte Jacobson an die Fernbedienung seines Fernsehers), mit dem sie Steve Hortons Bilder der Frau auf die Leinwand hinter sich zaubern konnte, während Salter den Text verlas.
Es war eine heikle Geschichte, und auch hier musste Salter zugute gehalten werden, dass er die Entscheidung letztlich Jacobson überlassen hatte: Jeder, oder fast jeder, hatte jemanden, um den er sich sorgte und den (in diesem Fall die) er nicht plötzlich als Mordopfer im Fernsehen oder auf der Titelseite der Zeitung Wiedersehen wollte. Die ganze Sache war alles andere als ideal. Nur war die Alternative auch kaum akzeptabel. Niemand draußen in Crowcross hatte die Tote bisher identifizieren können, und Emma Smiths Wühlen in den Vermisstendaten hatte sie auch keinen Schritt weitergebracht. Smith und der Wachhabende des CID, den sie sich zu Hilfe geholt hatte, suchten mittlerweile auch in den nationalen Dateien. Da gab es womöglich ein paar Hinweise, aber die zu verifizieren würde Stunden, ja Tage dauern, und Jacobson musste möglichst bald wissen, wer diese Frau war, bevor wichtige Spuren verloren gingen.
Als Greg Salter fertig war, nahm Caroline Little die Fragen der anwesenden Journalisten auf, von denen Salter und Jacobson die meisten »aus ermittlungstechnischen Gründen« nicht beantworten konnten. Wie gewohnt bestand Jacobsons Pressestrategie darin, möglichst den Mund zu halten. Schließlich meldete sich ein Witzbold von Sky News zu Wort und fragte, ob das örtliche CID-Team tatsächlich geeignet sei, diese Untersuchung durchzuführen.
»Martin Grove hat zwanzig Jahre für ein Verbrechen im Gefängnis gesessen, das er nicht begangen hat, und jetzt sollen die Beamten, die ihn ursprünglich unter Anklage gestellt haben, seinen Mord untersuchen. Da könnte sich die Öffentlichkeit doch fragen, ob ...«
Um ein Haar wäre Jacobson explodiert. Er wartete nicht ab, ob Greg Salter eine seiner faden Antworten bereithielt.
»Die Öffentlichkeit kann sich fragen, was sie will«, fuhr er auf, selbst beeindruckt davon, dass er nicht einfach wild in die Kamera fluchte. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen, ich habe eine Morduntersuchung zu leiten.«
Er befreite sich von dem Mikro an seinem Jackettaufschlag, legte auch den kleinen Sender ab, den die Fernsehleute an seinem Gürtel festgemacht hatten, und noch bevor der Sky-Reporter den Mund wieder zubekam, hatte er den Raum verlassen . Greg Salter und Caroline Little blieben auf dem Podium zurück, um zu kitten, was der DCI soeben in Scherben geschlagen hatte.
Jacobson stürmte die breite Treppe hinunter und durch die Drehtür am Haupteingang hinaus in die helle Nachmittagssonne. Fünf Minuten später saß er im »Brewer’s Rest« und kochte noch immer. Aber wenigstens hatte er seine guten Vorsätze nicht vergessen, sondern sich an der Theke ein großes Glas frisch gepressten Orangensaft mit Mineralwasser bestellt. Gereizt trommelte er mit den Fingern auf den verchromten Tisch. Er nahm gern den kürzesten Weg, das stimmte schon. Aber er gab sich alle Mühe, sich nicht von Vorurteilen und sogenannten Bauchgefühlen blenden zu lassen. Es war ein riesengroßer Unterschied, ob man alle möglichen Informationen zu einem Fall sammelte (auf welche Weise auch immer) oder nur die akzeptierte, die zu einer bestimmten Annahme passten. Und noch größer war der Unterschied zwischen Fakten, die man tatsächlich ausgrub, und anderen, die man so verformte, dass sie einem in den Kram passten. Das hatte er nie getan. Nicht ein einziges Mal. Die Art Bulle war er nicht. Auch hatte er nie Gewalt
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