Die Toten von Crowcross
physisches Medium. Aber es sei auch möglich, dass Grove einen virtuellen Speicher benutzt habe. Dass er seine Daten in eine Art digitalen Lagerraum hochgeladen habe.
»In einen digitalen Lagerraum?«, fragte Jacobson.
»Genau. Sie legen einfach alles, was Sie bei einem Absturz Ihres Computers oder im Fall eines Diebstahls nicht verlieren wollen, in Ihrem persönlichen virtuellen Datenspeicher ab. Ein paar der großen Breitbandprovider bieten diesen Service an; die garantieren Ihnen, dass sie eine Kopie Ihrer Daten sicher auf ihrem zentralen Server aufbewahren.«
»Und falls Grove so einen Service genutzt hat, könnten Sie die Daten ausfindig machen? Gilt das auch für Karen Holt?«
»Wenn die Ermittler die jeweilige ISP herausfinden, auf jeden Fall. Sonst ist es die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Sollten die beiden aber in letzter Zeit virtuelle Speicher benutzt haben, müsste sich in den ISP-Nutzungs-Logs eine klare Spur finden.«
Jacobson war durchaus stolz darauf, dass er Horton so weit hatte folgen können. Bis auf den letzten Punkt.
»Wenn die Ermittler es herausfinden, Steve? Wie genau soll das gehen?«
»Wenn die beiden einen Internetprovider hatten, mussten sie wie alle anderen auch für diesen Dienst zahlen, und aus ihren Kontoauszügen oder Kreditkartenabrechungen müsste hervorgehen, wen sie dafür bezahlt haben.«
»Sehr gut, mein Junge ế .. Sprechen Sie mit Brian Phelps darüber. Er soll das an die einzelnen Teams weitergeben. Und wenn wir keine Rechnung oder Quittung auf Papier finden, können wir auch direkt an die Bank herantreten.«
»Super«, sagte Horton und zeigte sein weißestes Lächeln.
Jacobson sah ihm nach, wie er mit seiner grenzenlosen, optimistischen Energie zurück in Richtung Einsatzraum ging. Bei diesem Anblick fühlte er sich müde und erschöpft.
DC Jason Phillips nahm sich das nächste Nummernschild auf der Liste vor und gab es in den Computer ein. Er überprüfte noch einmal, ob er auch alle Buchstaben und Zahlen richtig getippt hatte, und schickte die Anfrage ab. Er war jetzt seit fünfzehn Monaten beim CID, und dies war sein zweiter großer Fall unter der Führung von DCI Jacobson. Er selbst spielte auch diesmal wieder nur eine kleine Rolle, aber er gehörte dazu. Während er auf die Antwort der nationalen Polizeidatenbank PNC und der Zulassungsbehörde wartete, sah er sich verstohlen im Einsatzraum um. Das war sicher nicht das schnellste Computersystem, mit dem er je gearbeitet hatte (und ebenso wenig das genaueste, wie die meisten im CID zu denken schienen). Seine Augen fanden schnell, wonach sie suchten: Emma Smith las drüben in der Ecke etwas von ihrem Bildschirm ab und sprach gleichzeitig in ihr Handy.
Ihm ging durch den Kopf, dass sie in der Besprechung seinen Namen gekannt und benutzt hatte. Aber warum auch nicht? Schließlich waren sie am Vorabend beide an den Befragungen in Crowcross beteiligt gewesen . Da hatte sie sich allerdings zunächst nicht an ihn erinnert, obwohl sie doch im vergangenen Jahr (wenn auch nur kurz) beim Fall der Videogang miteinander zu tun gehabt hatten. Wahrscheinlich war er einfach nicht ihr Typ, und selbst wenn es anders war, sprach schlicht die Tatsache gegen ihn, dass er noch so neu war. Jacobsons A-Team war die inoffizielle Elite und rangierte einige Stufen über den normalen CID-Rängen. So funktionierte eine Organisation wie das CID nun mal, warum sollte sie da ohne guten Grund unter ihrem Niveau …? Und jünger war er auch. Nicht viel, aber doch so viel, dass sie ihn womöglich als kleinen Jungen abtat, als jemanden, den man noch nicht ernst nehmen konnte. Das Schlimmste aber war, dass er als Uni-Abgänger beim CID angeheuert hatte. Damit war er das Unterste vom Untersten. Das Objekt allgemeiner Verachtung, ja, und des Argwohns. Es stand praktisch fest (auch eine im CID verbreitete Auffassung), dass Leute wie er grundsätzlich jede Aufgabe versauten, die auch nur ein Minimum an gesundem Menschenverstand verlangte.
Er erfreute sich noch ein paar Sekunden an ihrem Anblick und wandte sich dann wieder seinem Bildschirm zu, auf dem bereits stand, worauf er gewartet hatte: Marke, Modell, Baujahr, Fahrgestellnummer. Besitzer samt Adresse. Cheshire, fiel ihm auf, eine jener »reichen Städte« da oben, die immer mehr die Oberhand über die traditionellen Reservate der Reichen und Berühmten im Süden gewannen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er einen Artikel in einer Sonntagszeitung darüber gelesen. Nicht dass
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