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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Mc Dowall
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dringender Dinge, die er dort erledigen konnte. Zudem schadete es den Investmentbanken, mit denen er arbeitete, nicht, wenn er von Zeit zu Zeit unangekündigt dort auftauchte und sich ansah, was sie mit seinem persönlichen, von der Firma unabhängigen Geld machten. Es gefiel ihm, alle, die ihr Geld mit seinem Geld verdienten, in einer Art nervösen Habachtstellung zu halten, wie Ballerinen vor dem ersten Auftritt. Der Hauptgedanke jedoch war, dass die Schweiz zwar in Europa lag, verfassungsmäßig aber unabhängig war. Sollte es zu einer ernsteren rechtlichen Komplikation kommen, würden die Schweizer Gesetze seine Interessen weit besser schützen als die englischen, selbst wenn er sich in England die besten Anwälte leistete.
    Es war nicht so, dass er am Montagabend etwas Unrechtes getan hätte. Nicht direkt, nicht er persönlich. Sie hatten vielleicht eine Stunde lang mit ihm gesprochen und waren wieder gefahren, als die Frau ankam. Der neue Martin war in mehrfacher Hinsicht beeindruckend gewesen, trotz seiner schwachsinnigen Theorien über Claires Tod. Diesbezüglich hatte Nigel getan, was er konnte; er hatte Martin erklärt, dass er sein Leben verschwende, seine endlich wiedergewonnene Freiheit, wenn er so in der Vergangenheit herumrühre, er solle doch einfach alles vergessen . Weite Teile des Gesprächs waren eine reine Nostalgieübung gewesen. Weißt du noch dies? Weißt du noch das? Aber natürlich erinnere ich mich, Martin, hatte er irgendwann gesagt, aber was nützen uns all die Erinnerungen? Du kannst sie nicht anfassen, nicht riechen, nicht essen. Nicht davon leben.
    Er ließ sich tief in seinen Executive-Lounge-Sessel sinken und registrierte leicht genervt das Plätschern des gekünstelten Wasserspiels. Natürlich würden die Polizisten ihn früher oder später aufspüren. Es sei denn, sie waren immer noch solche Nieten wie vor rund zwanzig Jahren, was ihm durchaus denkbar erschien; nur wollte er nicht darauf wetten. In gewisser Weise hätte er gar nichts dagegen gehabt, mit ihnen zu sprechen, telefonisch, wenn das möglich war. Vielleicht setzte sich ja auch einer von den armen Kerlen ins Flugzeug und unternahm auf Kosten der Steuerzahler einen kleinen Ausflug. Schließlich war es noch nicht komplett 1984, Nigel trug keinen Chip der Regierung im Kopf, und niemand konnte beweisen, dass er über das Fernsehen oder die Zeitung von den Morden erfahren hatte. Was ihm tatsächlich Sorgen bereitete und ihn letztlich veranlasst hatte, das Land vorsorglich vorübergehend zu verlassen, waren die Medien und ihr Potenzial, für schlechte Publicity zu sorgen. Der Markt litt unter extremen Schwankungen, und es gab Idioten, die von einer Depression wie in den Dreißigern redeten, einem weltweiten Kollaps. Das Vertrauen der Kunden und ein guter Ruf waren für sein Geschäftsmodell von zentraler Bedeutung, und er konnte gut ohne Pressehaie leben, die vor seiner Tür campierten, Fragen stellten, Interviews wollten und ihn unweigerlich mit einem Doppelmord in Verbindung brachten, der durch sämtliche Schlagzeilen ging. Nun, jetzt mussten sie ihn erst einmal finden.
    Was die Geschehnisse im Myrtle Cottage betraf, die gehörten der Vergangenheit an. Das war vorbei, vergangen, vorüber. Das ewige Gerede der Leute, dass die Dinge ihren Abschluss finden mussten ễ . ẵ Das war ein banales, bedeutungsloses Konzept – gescheitert, wenn es denn je überhaupt Bestand gehabt hatte: All diese heuchlerischen Politiker, die sich öffentlich hinstellten und sich für den Holocaust, die Sklaverei oder sonst ein historisches Übel entschuldigten, mit dem sie persönlich nicht das Geringste zu tun hatten. Was sollte es bringen, nach all den Jahren die Wahrheit über den Mord an Claire aufzudecken? Was hatte Martin am Ende davon gehabt, dass er in dieser Sache herumgerührt hatte?
    Sein Fahrer setzte sich ihm gegenüber. Er sah müde aus, ganz so, als hätte er im Gegensatz zu seinem Chef vergangene Nacht gar nicht gut geschlafen.
    »Kopf hoch«, sagte Nigel, musterte ihn und versuchte zu ergründen, in was für einem mentalen Zustand Andy sich befand. »Der Flug geht pünktlich. Keine Verspätung. Wir sind so gut wie weg.«

25
    Martin Grove.doc
    Weihnachten kam und ging. Im Januar sank die Zahl der Protestierer auf ihren tiefsten Stand. Die Schlacht mit der Polizei im November hatte viele, deren Engagement sowieso nicht groß gewesen war, abgeschreckt; es hatte ihnen zwar eine Weile gefallen, die Rebellen zu geben, am Ende aber doch

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