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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Mc Dowall
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ich eine Weile buddhistische Pfade beschritten. Oder es wenigstens versucht, und vielleicht bin ich ja immer noch in gewisser Weise gläubig, wer weiß? Auf jeden Fall hat Buddha mich gelehrt, dass die sogenannte wirkliche Welt, die wir tagtäglich wahrnehmen, eine Illusion ist, Vergänglichkeit, Maya, eine Welt, die, wenn man nur richtig sehen könnte, zu nichts zerfallen würde. Das ist, wenn man hinter Gittern sitzt, ein sehr befreiender Gedanke. Manchmal stellte ich mir in meiner Zelle vor, wie die Mauern sich auf lösten, zu Nichts zerschmolzen. Am Ende sind wir im Buddhismus alle eins . Alle Sünder, alle Heilige. Keine der auf den ersten Blick eigenen, sich von anderen unterscheidenden Persönlichkeiten ist mehr als eine Hülle, eine vorübergehende Erscheinung. Ihre äußere Haut trennt Sie nicht wirklich von den anderen, lieber Leser. Nicht von mir, nicht von sonst jemandem . Genauso wenig, wie das unablässige Geplapper in Ihrem Kopf, das Ihnen einreden will, Sie seien einzigartig und etwas Besonderes, Sie vom Rest der Schöpfung unterscheidet.
    Im Bau verschaffte mein Glaube mir Respekt oder, sagen wir, wenigstens eine große Portion freundliche Neugier. Ich habe im Knast viele Mörder kennengelernt, richtige, echte Mörder. Schuldige Männer. Einige von ihnen (ganz bestimmt nicht alle, das würde ich nicht behaupten) dachten viel nach über Leben und Tod und den Sinn und Zweck von allem. Am intensivsten dachten sie darüber nach, was kommen würde. Die Hölle kann in der Fantasie bedrohliche Dimensionen annehmen, wenn man eine Todsünde begangen hat. Ich habe diesen Männern erklärt, die buddhistische Vorstellung von der Hölle habe meinem Verständnis nach Ähnlichkeiten mit der altchristlichen Idee vom Fegefeuer. Man begleiche seine Schulden an schlechtem Karma und bekomme anschließend vielleicht eine weitere Chance auf dem Rad des Lebens. Einige von ihnen erkannten darin einen Sinn.
    Als ich in den Aufstand von Boland verwickelt wurde, wandelte ich immer noch auf dem buddhistischen Pfad. Die beiden Sexualstraftäter waren miese kleine Arschlöcher. Keiner von beiden stritt die abscheulichen Dinge, die er getan hatte, ab, und es fiel richtig schwer, von einem normalen Standpunkt aus auch nur den Hauch von Mitgefühl für sie zu entwickeln. Dennoch trat ich für sie ein, oder wenigstens dafür, dass sie in Ruhe gelassen wurden. Ich wusste, wenn ich es nicht tat, würde es niemand tun. Die Stimmung war längst gekippt. Der Gefängnisdirektor war ein verlogener Dreckskerl (ein Jahr später fanden sich auch offiziell genug Gründe, ihn vorzeitig in »Pension« zu schicken), und die Anführer des Aufstands wussten, dass sie ihm kein einziges Wort glauben konnten. Die beiden Sexualstraftäter waren natürlich auch Opfer der Niederlage. Alle wussten, dass der Aufstand keinerlei Aussicht auf Erfolg hatte. Wenn es am Ende kein Essen und auch sonst nichts mehr gab, blieb nur noch die Kapitulation: das Sich-Beugen und notgedrungene Schlucken von allem, was der Direktor und das Aufseherpack sich ausdachten. Die beiden Sexualstraftäter wurden im Fernsehraum »zur Rechenschaft gezogen«. Sie mussten sich auf Stühle stellen und schissen sich vor aller Augen in die Hosen. Hinterher wurde es so dargestellt, als sei ihnen eine Tracht Prügel verpasst worden und als seien dabei die Dinge außer Kontrolle geraten. Was den Gefängniswärter betraf, war das nicht ganz falsch. Hätte er nicht versucht, im letzten Moment noch dazwischenzugehen, wäre er wahrscheinlich nicht so gegen den Kopf getreten worden. Aber bei den beiden Sexualstraftätern war von Anfang an klar, dass sie getötet würden. Lasst sie leiden! , rief irgendwann einer, und alle anderen applaudierten lautstark.
    Merkwürdigerweise fühlte ich mich hinterher schuldig, weil ich für sie eingetreten war. Als hätte ich dem Ganzen dadurch einen Hauch von Legitimation verliehen. Martin Grove hat für sie gesprochen, vergesst das nicht, die haben einen gerechten Prozess bekommen – das war es, was man während der Tage und Wochen danach in unserem Trakt zu hören bekam . Das Schuldgefühl legte sich aber bald. Ich hatte getan, was in meiner Macht stand. Mehr kann man von einem Menschen nicht verlangen.
    Schauplatz der »Exekution« war die Dusche. Die beiden wurden von einem eigens dazu bestimmten Exekutionskommando hingebracht. Da hatte ich bereits, wie Pilatus, meine Hände in Unschuld gewaschen, war zurück in meine Zelle gegangen und hatte zur Vorsicht

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