Die Toten von Crowcross
mit den wenigen Mitteln, die mir zur Verfügung standen, meine Tür verbarrikadiert. Ich wurde respektiert. Die meisten Leute in meinem Trakt glaubten mittlerweile, dass ich unschuldig war, und begriffen, was für einen langen, schweren Weg ich ging, um mich zu rehabilitieren. Dennoch befand ich mich an diesem Tag in einer brisanten Lage. Ich hatte mich für die Prügelknaben eingesetzt, und es war keinesfalls auszuschließen, dass ich als Nächster an die Reihe kam.
Als das Exekutionskommando an meiner Zelle vorbeikam, rang ich gerade mit einem Stapel Bücher. Ich hätte wegsehen können (was vernünftig gewesen wäre und einfach), aber wer schaut schon weg, wenn vor seinen Augen zwei Autos ineinanderrasen? Und so sah ich sie alle, die Mörder und die Todgeweihten, dicht an meiner Tür Vorbeigehen. Die Wärter, die mich bei meinem eigenen, völlig legalen, staatlich sanktionierten Prozess aus der Zelle in den Gerichtssaal und wieder zurück gebracht hatten, waren mir gegenüber anständig gewesen. Die Gerichtseskorte zu machen war vermutlich attraktiv, eine Art Tagesausflug für Schließer, und so waren sie oft aufgeräumter Stimmung gewesen. Das hatte sich am letzten Tag, nach dem Urteilsspruch, geändert. Nachdem der Richterden einstimmigen Beschluss der Geschworenen - dass ich im Sinne der Anklage schuldig sei – angenommen hatte, entstand zwischen ihnen und mir eine Distanz . Vielleicht die universelle Distanz zwischen denen, die Hoffnung haben, und denen, denen sie verwehrt ist.
Auch jetzt sah ich eine Distanz, wenn auch eine weitaus grundsätzlichere: die elementare Kluft zwischen denen, die lebten, und denen, die bald tot sein würden. Sie hatten ihnen die Hände auf den Rücken gebunden und Pappschilder um den Hals gehängt, auf denen Pädo-Drecksau und Tötet mich! stand. Ihr Tod würde brutal sein, ein kollektiver Mord, primitiv. Ich kannte die Männer, die sie umbringen würden, sah sie Vorbeigehen, wusste, wie sie hießen. Als ich später danach gefragt wurde, habe ich mich dennoch geweigert, ihre Namen zu nennen. Ich log, ich behauptete, sie nicht gesehen zu haben. Diese Schuld ist nicht verschwunden und wird auch nie verschwinden, lieber Leser. Es sei denn, ich nenne ihre Namen – nenne sie bald und pfeife auf die Folgen.
32
Jacobson wusste, dass er Maureen Bright noch einmal befragen musste, diesmal zu Groves Telefonaten mit Karen Holt und Nigel Copeland. Wenn er das einem anderen auftrug, musste er ihn oder sie von etwas abziehen, das ebenso wenig Aufschub duldete, also schickte er sich selbst los und nahm sogar den eigenen Wagen. Dringlicheres gab es, bis er von den Kollegen in Cheshire etwas über Copeland hörte, nicht.
Jane Ebdon ließ ihn herein und folgte ihm mit resoluten Schritten in die Küche, wo Maureen Bright am Tisch saß und immer noch die Arme um den Leib schlang, als wolle sie sich vor der Welt schützen. Sie schien mehr oder weniger nüchtern zu sein und rauchte auch nicht. Im Moment jedenfalls nicht, aber vor ihr stand ein überquellender Aschenbecher, und hinter ihr in der Ecke gab es ein hübsches Regal voller Weinflaschen. Sie mussten nur entkorkt werden.
»Sie haben ausgesagt, dass Sie am Sonntag und den größten Teil des Montags mit Martin zu Hause waren«, sagte Jacobson und nahm sich einen Stuhl, ohne dass er ihm angeboten worden wäre.
Sie sah ihn kaum an.
»Und?«
Er setzte sich und wurde genauer. Es habe im Lauf der beiden Tage sieben Anrufe von zwei Fremden gegeben. Das müsse sie doch mitbekommen haben. Ob sie vielleicht sogar einen der Anrufe entgegengenommen habe?
»Von einem Mann namens Copeland«, fügte er hinzu. »Oder von Karen Holt, der Privatdetektivin, die Martin besucht hat, nachdem Sie am Montagabend hierher gefahren waren. Das ist die Frau, die im Crowcross Wood tot aufgefunden wurde.«
Er beobachtete ihre Reaktion. Falls sie etwas zu verbergen hatte, tat sie das gut; von ihrem müden, leeren Gesichtsausdruck war nichts abzulesen.
»Das ist mir alles neu«, sagte sie. »Ich habe Ihnen gestern schon gesagt, dass ich die Frau nie gesehen habe, und von einem Mann namens Copeland weiß ich auch nichts. Was das Telefon angeht, so kann es immer klingeln, oder? Vielleicht war ich gerade im Garten, vielleicht unter der Dusche …«
»Maureen weiß nichts«, sagte Jane Ebdon . »Warum glauben Sie ihr nicht einfach und lassen sie in Ruhe? Müssen sich die alten Gewohnheiten vom CID Crowby denn ewig halten?«
Jacobson überhörte die Spitze und wandte
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