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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Mc Dowall
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Kerl. Rotes Gesicht, weißes Haar und meistens im dunklen, zweireihigen Jackett. Für mich war er ein Reaktionär (das war einer der Begriffe, die ich von Claire hatte), ein wohlsituierter Rentnertyp und ganz sicher der letzte Geschworene der Welt, der damals geneigt gewesen wäre zu glauben, dass die englische Polizei ein Geständnis aus einem Angeklagten herauszwingen könnte. Für den konnte ich nichts anderes sein als ein junger, wilder, mörderischer Rabauke. Vergessen Sie nicht dass das alles noch vor der Rehabilitierung der Birmingham Six und der Guildford Four lag. Damals gab es noch Unmengen von Leuten im Land, die die britische Justiz für die beste der Welt und geradezu unfehlbar hielten. Wobei, ich will fair sein, unter den Geschworenen waren auch ein paar Jüngere. Oder zumindest mittleren Alters. Allerdings hätte von denen niemand auch nur annähernd ins Cottage gepasst. Es gab eine durchaus gut aussehende jüngere Frau, die sich wie eine Sekretärin kleidete, und einen Anzugtypen, der gut ein Autoverkäufer hätte sein können . Ich habe nichts gegen normale Menschen, lieber Leser, das möchte ich ausdrücklich betonen, aber von diesen Geschworenen schien mir keiner jemals an einem Protestmarsch teilgenommen zu haben, geschweige denn, Opfer eines Polizeiknüppels geworden zu sein. Ich sah da niemanden sitzen, von dem ich angenommen hätte, dass er auch nur das leiseste Verständnis für mich und meine Lebensweise hatte.
    Mein Geständnis war der große, der enorm große Stein, der mir im Weg lag – beim Prozess und während der langen Jahre im Gefängnis. Das machte mir Alan Slingsby, mein Verteidiger, gleich bei unserem ersten Treffen klar. Ich war angeklagt, saß in Untersuchungshaft, und die polizeiliche Untersuchung – soweit man das, was da stattgefunden hatte, so nennen konnte – war abgeschlossen. Bis auf mein Geständnis hätten sie nichts in Händen, vermutete er, oder doch so gut wie nichts, allenfalls ein paar Indizien. Er hatte eine Kopie meiner Aussage dabei, auf der letzten Seite von mir datiert und unterschrieben . Ich erklärte ihm, wie es dazu gekommen war, dass ich diese Anhäufung von Lügen am Ende unterschrieben hatte. Aus seinem Blick sprach Mitgefühl, das weiß ich noch, und das hat mir mehr bedeutet, als mir damals bewusst wurde. Aber er konnte mir nicht wirklich Mut machen. Ich glaube Ihnen , Martin , sagte er, das Problem ist nur y dass die Geschworenen Ihnen vielleicht nicht glauben werden. Der Richter wird auf jeden Fall gegen Sie sein und entsprechend auf die Geschworenen einwirken. Ein Geständnis zurückzuziehen, zu behaupten, Sie hätten es unter Zwang unterschrieben und die Polizei und das Rechtssystem in diesem Land seien nicht astrein, das ist etwas, was Richter gar nicht mögen.
    Natürlich hatte Alan Slingsby recht. Unaufhörlich erinnerte der Richter die Geschworenen daran, dass meine Verteidigung sich darauf beschränke, das Geständnis zurückzuziehen. Sollten sie in meinem Sinne entscheiden, verkündete er, hieße das, dass sie dem Wort eines jungen, unsteten, ungebildeten Mannes (»eines Schulabbrechers und Herumtreibers, wie er selbst sagt, meine Damen und Herren Geschworenen«) größeren Glauben schenkten als dem aktiver Polizisten mit makellosem Ruf und großen Verdiensten (»das sind engagierte Diener unseres Staates, meine Damen und Herren, die die Hochachtung ihrer Kollegen und ihres ganzen Berufsstandes genießen«). Als mir schließlich Gelegenheit gegeben wurde, meine Aussage zu machen, schäumte er, hustete und wand sich auf seinem Thron. Jedem kleinen Einspruch, den die Anklage formulierte, gab er statt, und die Art, wie er DCI Hunter empfing, sprach Bände. Wie einen alten, hochverehrten Freund hieß er Hunter im Zeugenstand willkommen, und der DCI enttäuschte seinen Gastgeber nicht. Während ich kaum einen Ton herausbrachte, nervös und vermutlich manchmal kaum zu verstehen war, verströmte Hunter Klarheit und Selbstsicherheit und sprach gemessen und mit volltönender Stimme. Ob er den Anwurf der Verteidigung, der Angeklagte sei während seiner Zeit im Polizeigewahrsam ungebührlich behandelt worden, zurückweise? Der Staatsanwalt mochte diese Frage so gern, dass er sie gleich mehrmals stellte, und Hunter antwortete jedes Mal ebenso bedächtig wie entschieden: Ja, hohes Gericht und meine Damen und Herren Geschworenen, ich weise diesen Anwurf zurück, fürwahr, das tue ich, zu hundert Prozent.
    Während meiner letzten Jahre im Gefängnis habe

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