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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Zeitpunkt, wo sie sich in Annes Haus aufgehalten und in ihrem Schreibtisch nach den Briefen gesucht hatte, diese Anne nur wenige Meter entfernt von ihr hinter der Küchentür gehangen hatte. Diese Erkenntnis hatte ihr einen solchen Schock versetzt, daß sie unbedingt mit jemandem darüber hatte sprechen müssen. Zuerst hatte sie an ihren Schwager gedacht. Er hörte gut zu und verurteilte nicht. Er war ihr immer ein zuverlässiger Freund gewesen. Doch dann war sie zu dem Schluß gekommen, daß sie Charles alles erzählen mußte. Das hatte sie dann auch getan. Charles hatte ihr sofort angeboten, alle Schwierigkeiten, die sich eventuell ergeben würden, auf sich zu nehmen. Jetzt nachträglich erschien ihr ihrer beider Lügenmärchen selbst als reichlich kindisch.
    Während Celia sprach, hatte Richards schweigend dagesessen, auch Celia selbst verfiel, nachdem sie fertig war, in Schweigen. Morses Einladung, jetzt, nachdem alles sich geklärt habe, im White Swan zusammen einen Drink zu nehmen, lehnten sie ab. Morse hatte sich daraufhin entschlossen, sich noch etwas zu gedulden und in seinen Pub in Kidlington zu gehen. Im Vorbeifahren sah er draußen ein Straßenschild, das den Weg nach Radley wies. Wohnte hier nicht die junge Frau mit der aufregenden Stimme, Richards’ Geliebte? Nun, wenn das, was Celia ihm eben erzählt hatte, stimmte, brauchte Richards ohnehin kein Alibi mehr …
    Aber hatte sie ihm wirklich die Wahrheit gesagt? In ihm begannen sich die ersten Zweifel zu regen …
     
    Celia stand am Fenster und sah Morse abfahren – so wie sie schon seine Ankunft beobachtet hatte. Sie blieb dort noch eine ganze Weile stehen, nachdem er längst nicht mehr zu sehen war, doch schließlich wandte sie sich um.
    »Er ist ein intelligenter Mann. Wir sollten ihn nicht unterschätzen.«
    »Da bin ich nicht ganz deiner Meinung.«
    »Glaubst du …?«
    »Denk nicht mehr daran! Versuch dich zu entspannen. Möchtest du einen Drink?«
    »Ja, bitte.«
    Sie drehte sich wieder zum Fenster und starrte in den Hof. Sie hatte Morse nicht in allen Punkten die Wahrheit gesagt. Wenn er es herausbekäme – das wäre das Ende. Sie hatte Angst.
     

Kapitel Fünfundzwanzig
     
    Ohne Bildung ist das Leben
    eines Mannes gleich dem Tod.
    Cicero
     
    Das helle Licht des sonnigen Oktobertages verlieh den schäbigen Straßen ein beinahe freundliches Aussehen, und auch die eintönigen Fassaden der Reihenhäuser wirkten weniger trist als gewöhnlich. Hier und da standen Frauen zu einem kleinen Schwatz beieinander, sie wienerten ihre Türklinken, in der Hoffnung daß jemand vorbeikäme, mit dem sich ein Gespräch anfangen ließe, oder gingen einkaufen. Da die Männer um diese Stunde bei der Arbeit, die Kinder in der Schule waren, ließen sie sich Zeit. Der strahlende Sonnenschein wirkte belebend auf das Gemeinschaftsgefühl.
    Auch Sergeant Lewis, der am Morgen von Morse nach Jericho geschickt worden war, um Erkundigungen über Jackson einzuziehen, profitierte von dem schönen Wetter – alle Leute, auf die er traf, waren gutgelaunt und gesprächig. Wieder zurück im Präsidium, erstattete er Morse Bericht. Mittels diskreter Fragen hatte er herausgefunden, daß Jackson durchaus nicht arm gewesen war. Durch seine gelegentlichen Aushilfsjobs, bei denen oft recht umfangreiche Arbeiten auszuführen waren, hatte er seine Rente erheblich aufbessern können. Das Haus, in dem er gewohnt hatte, war sein Eigentum gewesen, er hatte an die fünfzehnhundert Pfund Erspartes, dazu Pfandbriefe im Wert von noch einmal zweihundertfünfzig Pfund. Seine Angelausrüstung war sicher auch nicht billig gewesen. Lewis schätzte, daß sie an die tausend Pfund gekostet haben mochte. Trotz dieses relativen Wohlstands hatte er fast immer, wenn er etwas kaufte, am Preis herumgenörgelt und zu feilschen versucht. Manchmal hatte er auch Schulden gemacht, die er jedoch am Ende immer beglichen hatte. Auch die Raten für seine neue Angelrute hatte er pünktlich bezahlt. Merkwürdigerweise schien niemand wirklich etwas gegen ihn gehabt zu haben; es war eher so, daß er ihnen gleichgültig gewesen war – im Leben wie im Tode. Lewis fand das fast noch schlimmer, als wenn sie ihn gehaßt hätten.
    Morse hörte seinen Bericht mit Interesse an und erzählte dann seine eigenen, ungleich dramatischeren Erlebnisse.
    »Haben wir eine schriftliche Aussage von ihr?« fragte Lewis.
    »Eine schriftliche Aussage?«
    »Aber ohne die geht es nicht, Sir.« Was blieb Lewis übrig, als bei Mrs Richards

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