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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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jemand, während Sie oben waren, das Haus betreten, und so wissen wir, wo genau der Schirm gestanden hat.«
    Richards kaute nervös an seiner Unterlippe.
    »Vorhin, als Sie anfingen, war ich mir gar nicht so sicher, ob das stimmte, was Sie sagten, aber inzwischen haben Sie mich überzeugt: Ihr Wagen an der Ecke, Ihr schwarzer Schirm hinter der Tür und Ihr dunkler Regenmantel über dem Treppengeländer – da werden Sie es wohl gewesen sein.«
    »Ich war ein Dummkopf, daß ich nicht gleich …«
    »Sie sind ein Dummkopf!« donnerte Morse.
    »Was? Wieso? Ich …« Richards sah ihn erschrocken an.
    »Weil Sie mich noch immer zu belügen versuchen. Das müßten Sie selbst doch am besten wissen! Die Wahrheit ist, daß nicht Sie, sondern irgend jemand anderer sich an diesem Nachmittag in Anne Scotts Haus aufgehalten hat.«
    »Aber, Inspector, nun machen Sie sich doch nicht lächerlich! Alles, was ich gesagt habe, entspricht …«
    Morse stand auf. »Und wenn ich Ihnen nun sage, daß über dem Treppengeländer kein dunkelblauer Regenmantel, sondern ein grauer Dufflecoat gehangen hat?«
    »Dann habe ich mich eben geirrt.«
    »Besitzen Sie einen grauen Dufflecoat?«
    »Ich … äh, nehmen Sie doch bitte einen Moment wieder Platz, ich … äh, ich habe nicht gelogen, ich …« Er senkte den Kopf und preßte die Hände gegen die Schläfen.
    Morse spürte auf einmal, wie ihn eine Gänsehaut überlief. Ohne daß er es gemerkt hatte, war jemand hinter ihn getreten, und er hörte eine Frauenstimme sagen: »Nun gib es doch auf, siehst du nicht, daß es keinen Zweck mehr hat? Natürlich hast du den Inspector angelogen, wie du unsere ganze Ehe hindurch mich angelogen hast. Nur daß du es diesmal getan hast, um mich zu schützen. Aber du siehst, du kommst damit nicht durch.« Sie setzte sich zu ihnen auf einen freien Sessel. Es war die Frau, die Morse zu Anfang begrüßt und ihn in Richards’ Zimmer geführt hatte. Sie wandte sich zu Morse: »Ich bin Celia Richards. Charles hier ist mein Mann. Mein Mann!« Sie lächelte bitter. »Aber das ist ja wohl die korrekte Bezeichnung, da wir nun einmal miteinander verheiratet sind. Er hat mir gesagt, daß Sie heute kommen würden – er hatte keine andere Wahl –, und er wollte nicht, daß Josephine, das ist die Sekretärin und vermutlich, wie ich Charles kenne, nicht nur das, von Ihrem Besuch erführe, und deshalb schlug er vor, daß ich mich an ihrer Stelle ins Vorzimmer setzen solle. Wir wußten natürlich, weswegen Sie ihn sprechen wollten, und dachten uns eine Geschichte aus, von der wir hofften, daß Sie sie akzeptieren würden. Aber für den Fall, daß Sie etwas merken sollten, war verabredet, daß ich hereinkommen würde. Die Tür nach nebenan war nur angelehnt, ich habe also Ihr ganzes Gespräch mitbekommen. Tja, Charles, nun müssen wir wohl mit der Wahrheit herausrücken.«
    Richards sagte nichts. Er saß völlig in sich zusammengesunken in seinem Sessel, so, als hätte er eine große Niederlage erlitten.
    »Haben Sie eine Zigarette für mich, Inspector?« fragte Celia. Sie nahm einen tiefen Zug, dann sagte sie: »So, ich denke, jetzt bin ich an der Reihe. Ich habe übrigens, während ich draußen saß und zuhörte, feststellen können, daß nicht nur Charles faustdicke Lügen erzählt hat, sondern Sie ebenfalls, Inspector. Wie Sie sich in die Brust geworfen und von dunkelblauen Regenmänteln und grauen Dufflecoats geredet haben – du meine Güte, was für ein Schmierentheater! Mir hätten Sie damit nicht kommen dürfen. Wie Sie sich vielleicht schon gedacht haben, bin ich selbst nämlich dieser Jemand, der am Nachmittag des 3. in Anne Scotts Haus war. Und ich trug weder einen dunkelblauen Regenmantel noch einen Dufflecoat, sondern eine hellbraune Lederjacke. Sie wollen sie doch sicher sehen, oder?« In ihrer Stimme lagen Haß und Verachtung.
     

Kapitel Vierundzwanzig
     
    In alle Wahrheit mischt sich Lüge.
    Longfellow, The Golden Legend
     
    Während er nach Oxford zurückfuhr, dachte Morse darüber nach, was Celia Richards ihm gerade erzählt hatte. Sie hatte sich selbst dabei nicht geschont, und er hatte ihre beherzte Offenheit insgeheim bewundert. Er zweifelte nicht, daß ihr Bericht der Wahrheit entsprach. Während der Zeit, als Anne für den Verlag gearbeitet hatte, war ihr immer wieder etwas über ein Verhältnis zwischen ihr und Charles zu Ohren gekommen; sie hatte dafür jedoch nie einen Beweis gehabt und sich immer wieder damit getröstet, daß diese Gerüchte ja

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