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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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das Glas beiseite, um den Haken zu lösen und das Fenster hochzuschieben. Während er sich noch damit abmühte, war ihm plötzlich, als sehe er in dem Schuppen einen Schatten. Er riß das Fernglas hoch und war sich, nachdem er einen Blick hindurchgeworfen hatte, ganz sicher: da machte sich jemand in Jacksons Schuppen zu schaffen. Er raste die Treppe hinunter, durch die Küche zur Hintertür, drehte so leise wie möglich den Schlüssel herum, holte tief Luft, schob die Riegel zur Seite und stürzte hinaus.
    Unglücklicherweise stolperte er nach wenigen Metern über den Mülleimer. Vermutlich hatte ihn einer der Beamten nach der Durchsuchung des Gartens dort stehenlassen. Der Deckel fiel laut klappernd herunter und drehte sich scheppernd fort und fort wie ein Kreisel. Morse stieß einen unterdrückten Schrei aus, halb aus Schmerz, halb vor Wut. Der Krach, den er veranstaltet hatte, hätte selbst einen Tauben gewarnt. Wenn der Jemand, der in Jacksons Schuppen herumgegeistert war, nicht schon vorher, als er oben das Fenster geöffnet hatte, aufmerksam geworden war, dann jetzt ganz bestimmt! Er rieb sich einen Moment das schmerzende Schienbein. Als er sich aufrichtete, sah er gerade noch den schattenhaften Umriß einer Person, die sich an der Mauer hochzog. Der sich drehende Deckel war zur Ruhe gekommen, und der Garten lag in völliger Stille. Morse atmete aus. Puh! Wenn er Lewis dabeigehabt hätte, hätte er sich vielleicht an die Verfolgung gemacht. Aber so, allein, hatte er sich einer möglichen Konfrontation nicht gewachsen gefühlt. Wenn er es hier mit Jacksons Mörder zu tun hatte, so war mit dem Mann nicht zu spaßen.
    Der Schuppen war unaufgeräumt und voll mit nutzlosem Zeug. Löchrige Eimer, kaputte Kescher und dazwischen ein paar Gartengeräte, eine verrostete Harke und ein grober Besen. Morse hatte das Gefühl, daß, wenn er ein Teil davon anfaßte und hervorzuziehen versuchte, alles andere gleich auf ihn herunterstürzen würde. An der linken Seite schien es etwas aufgeräumter zu sein. Hier lehnten ordentlich hintereinander sieben Angelruten, die der Tür am nächsten stehende sah sehr durchgestylt aus und schien noch wenig gebraucht zu sein – das war vermutlich die Neuanschaffung, für die er noch Raten zu zahlen gehabt hatte. Doch Morse hielt sich nicht lange bei der Betrachtung der Angelruten auf, denn vor allem beschäftigte ihn die Frage, wo der Eindringling hier etwas gesucht hatte. Beim zweiten Hinsehen entdeckte er es: auf einer angebrochenen Plastiktüte mit Torfmull lag umgekippt ein Weidenkorb, wie ihn Angler benutzten. Der Inhalt war achtlos auf dem Boden verstreut: Haken, Dosen mit Köder, Schwimmer, Gewichte, eine Zange, Rollen Angelschnur, ein Messer. Morse sah sich die Bescherung an und seufzte. Was hatte der Mann nur gesucht? Er hatte nicht die geringste Idee. Und das kam selten genug vor.
    Als er das Haus verließ und auf der Straße stand, dachte er sich, daß er schnell noch einmal gegenüber bei Nr. 9 hereinschauen konnte. Er schloß auf und betätigte den Lichtschalter gleich links von der Tür. Doch der Strom war schon abgeschaltet, es blieb alles dunkel. Er fand, daß er heute schon genug mitgemacht hätte und nicht auch noch in einem kalten, dunklen Haus herumtappen mußte. Auf der Matte an der Tür lag ein brauner Briefumschlag, hinter dessen Sichtfenster mit Schreibmaschine getippt Annes Name und Adresse stand. Wahrscheinlich eine Rechnung. Die würde nun wohl nicht mehr bezahlt werden. Morse nahm das Kuvert auf und steckte es ein.
    Er fuhr links die Canal Street hinunter, vorbei an den grünen Toren von Lucy’s Eisengießerei und bog dann nach rechts in die Juxon Street. Die Kreuzung Juxon/Ecke Walton Street war verstopft. Während er wartete, ließ er seinen gelangweilten Blick über die nächststehenden Gebäude wandern und registrierte, wenn auch nur unterschwellig, die Firmennamen auf den Türschildern: The Jericho Testing Laboratories, Welsh & Cohen, Zahnärzte … Dann war die Kreuzung wieder frei, und er fuhr los.
    Lewis war schon zurück aus Abingdon. Er legte Morse die Aussage von Celia Richards vor, und dieser überflog sie kurz.
    »Ja, das können Sie dann abtippen. Aber vermeintlich wird mit ›t‹ geschrieben, und regelmäßig mit ›ß‹.«
    Lewis schwieg. Er wußte, daß Rechtschreibung nicht seine starke Seite war.
    »Wieviel hat eigentlich Jacksons neue Angelrute gekostet?« fragte Morse plötzlich.
    »Danach habe ich mich nicht erkundigt, Sir«, antwortete

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