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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Nun, ich glaube, ich brauche das nicht weiter auszuführen. Ich bin ein verheirateter Mann, und ich liebe meine Frau, und trotzdem verliebte ich mich in Anne. Es war weit mehr als nur eine Affäre. Auf den Geschäftsreisen gaben wir uns in den Hotels als Ehepaar aus. Derartige Gelegenheiten waren allerdings nicht sehr häufig. Vielleicht fünf- oder sechsmal im Jahr.«
    »Wußte Ihre Frau davon?«
    »Nein, ich glaube nicht.«
    »Und? Wie ging es dann weiter?«
    »Nun, es passierte, was vermutlich vielen Liebenden passiert. Die Spannung und die Erregung beim Wiedersehen lassen nach, die Euphorie der ersten Monate beginnt allmählich zu schwinden … Irgendwann entschied Anne, daß es besser sei, sie ginge, und ich versuchte nicht, sie zurückzuhalten. Um ehrlich zu sein, war ich eher froh. Es ist schon eine merkwürdige Sache mit den Gefühlen.«
    »Aber Sie schrieben sich?«
    Richards nickte. »Ja. Nicht allzuoft, aber wir blieben in Kontakt. Als wir dann in diesem Sommer mit dem Verlag nach Abingdon übersiedelten, lebten wir plötzlich wieder in relativer räumlicher Nähe zueinander. Sie schrieb mir und ließ durchblicken, daß sie sich freuen würde, mich wiederzusehen. Und ich fand sie nach all den Jahren, die wir uns nicht getroffen hatten, wieder sehr aufregend. Sie hatte in der Regel jede Woche einen Nachmittag, an dem sie frei war. An diesen Nachmittagen habe ich sie des öfteren besucht – und auch am Nachmittag des 3. wollte ich zu ihr.«
    »Hatten Sie einen Schlüssel?«
    »Einen Schlüssel? Äh … nein.«
    »War die Tür offen, als Sie ankamen?«
    »Äh, ich glaube, äh … ja. Sonst …«
    »Dann hätte ich jetzt von Ihnen gerne eine Schilderung, was Sie gemacht haben, nachdem Sie das Haus betraten.«
    Richards schwieg und starrte auf den Boden, als suche er hinter dem komplizierten Muster des Teppichs einen verborgenen Sinn zu entdecken. Schließlich hob er den Kopf und sagte:»Nun, ich rief nach ihr.«
    »Weiter!«
    »Das Haus wirkte irgendwie verlassen, und ich dachte, sie sei vielleicht etwas besorgen, und ging schon nach oben.«
    »Nach oben?«
    Richards sah ihn fast herausfordernd an. »Ja, nach oben«, sagte er.
    »In welchen Raum sind Sie gegangen?«
    »In den hinteren. Da hatte sie sich ein Arbeitszimmer eingerichtet; aber das brauche ich Ihnen ja nicht zu erzählen. Sie werden das Haus ja inzwischen kennen.«
    Morse nickte.
    »Wir hatten so eine Gewohnheit, daß wir vorher noch ein bißchen zusammensaßen und ein Glas Wein tranken, ehe wir dann ins Schlafzimmer hinübergingen …«
    »Kam Ihnen das eigentlich überhaupt nicht riskant vor, ich meine, so bei hellem Tageslicht?«
    Richards schien nicht zu wissen, wovon er sprach, und Morse schossen einige merkwürdige Ideen durch den Kopf.
    »Fast alles, was Spaß macht im Leben, ist riskant«, sagte Richards schließlich vage.
    »Nun ja, aber man kann das Risiko mindern, wenn man zum Beispiel die Vorhänge zuzieht.«
    Richards lächelte erleichtert. »Ach, jetzt weiß ich, worauf Sie anspielen. Es stimmt. Sie ist in all der Zeit nicht dazu gekommen, jemanden zu bestellen, der ihr da oben Vorhänge angebracht hätte.«
    (1:0 für Richards!) »Sie saßen also da oben im Arbeitszimmer und warteten. Und dann?«
    »Nach ungefähr zwanzig, fünfundzwanzig Minuten wurde ich unruhig. Es muß schon gegen halb vier gewesen sein, und ich überlegte, was wohl passiert sein könne. Aber ich wußte nicht, was ich hätte tun sollen, und so bin ich gegangen.«
    »Sie haben nicht vorher noch schnell in die Küche geschaut?«
    »Nein, nein. Ich habe die Küche auch vorher nie betreten.«
    »Hatte es schon angefangen zu regnen?«
    »Angefangen? Ich glaube, es hat den ganzen Nachmittag ununterbrochen geregnet. Auf jeden Fall hat es schon geregnet, als ich kam, sonst hätte ich für den kurzen Weg vom Wagen bis zu ihrem Haus nicht den Schirm mitgenommen. Ich weiß noch, daß ich ihn gleich bei der Eingangstür abgestellt habe, um ihr keine Flecken auf den Teppich zu machen.«
    »Wenn man reinkommt, gleich rechts?«
    »Ich kann mich nicht hundertprozentig erinnern, aber ich glaube, es war links – ich hätte wohl eher sagen sollen, hi n ter der Tür. Aber vielleicht irre ich mich da.«
    »Nein, Sie irren sich nicht! Sie müssen schon entschuldigen, aber ich möchte ganz sicher sein, daß wirklich Sie an dem Nachmittag dagewesen sind, und deshalb habe ich Sie ein bißchen aufs Glatteis geführt – sozusagen als Test, ob Sie die Wahrheit sagen. Es hat nämlich

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