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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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unbeantwortet, und als er den Wagen vor den Betonzylindern am Eingang von Canal Reach zum Stehen brachte, war er genauso schlau wie vorher.
     

Kapitel Einunddreißig
     
    Sie setzte sich nieder
    und gab auf vier Seiten einen knappen,
    genauen Bericht der Ereignisse.
    Thomas Hardy, Tess of the D’Urbervilles
     
    Mrs Purvis war schon ein wenig erstaunt, als sich der Mann, der vor nicht ganz vierzehn Tagen als Abgesandter der Ro y al Architectural Society aufgetreten war, nun als Polizeiinspektor vorstellte, nahm es jedoch hin – so ein netter Mensch, es würde schon alles seine Richtigkeit haben. Nachdem Morse zunächst die hübsche Einrichtung des Wohnzimmers, dann den grauen Perserkater zu ihren Füßen (»Er heißt Graymalkin, den Namen hab ich aus einem Stück mit dem Titel Ma c beth von William Shakespeare«) ausführlich bewundert und solchermaßen ihren früheren positiven Eindruck von ihm noch einmal bestärkt hatte, kam er behutsam zur Sache.
    »Ich würde mich ja zu gerne noch weiter mit Ihnen über Ihren Prachtkater unterhalten, Mrs Purvis – ich bin selbst ein großer Katzenliebhaber, müssen Sie wissen –, aber ich habe da noch ein paar Fragen zu Mr Jackson, die ich gerne stellen möchte. Es geht aber sicher ganz schnell. Wir versuchen etwas über seine gelegentliche Tätigkeit als Handwerker herauszufinden; uns interessiert vor allem, was er dabei etwa verdient hat. Für Sie hat er doch kurz vor seinem Tod auch noch gearbeitet, oder?«
    »Ja, er hat im ganzen Haus neue Leitungen gelegt. Ich habe ihn nicht sonderlich gemocht. Er war ein unfreundlicher Mensch, aber er hat gut gearbeitet, das kann ich nicht anders sagen.«
    »Wann ist er denn damit fertig geworden?«
    »An den genauen Tag kann ich mich jetzt nicht erinnern, aber wenn es wichtig ist …«
    »Und Sie haben ihn gleich bezahlt?«
    Mrs Purvis beugte sich zu Graymalkin hinunter und begann, ihn zu streicheln. Als sie wieder hochblickte, war ihr Gesicht von einer leichten Röte überzogen. »Ja, ich habe ihn gleich bezahlt …«
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu sagen, wieviel?«
    »Nun, er war ja kein Fachmann und …«
    »Wieviel haben Sie ihm bezahlt?«
    »Fünfundsiebzig Pfund.« Lewis, der die ganze Zeit stumm daneben saß, wunderte sich. Wieso sagte sie es, als sei es ein Schuldeingeständnis?
    »Da kann man nichts sagen.«
    Sie nickte nur und beugte sich wieder zu ihrem Kater hinunter.
    »Hat er des öfteren für Sie gearbeitet?«
    »Nein. Nur jetzt die Leitungen gelegt, und dann am Freitag, das war der Tag … also, da hat er mir die Spülung auf meinem Klo repariert. Der Schwimmer …«
    »Haben Sie mal etwas für ihn getan?«
    Mrs Purvis griff sich ans Herz und sah ihn voller Panik an. »Ich … für ihn … ich verstehe nicht ganz …«
    »Mr Jackson hatte Schwierigkeiten mit dem Schreiben und Lesen, nicht wahr?«
    »Ich … also davon weiß ich nichts. Es kann schon sein; ich glaube, er hatte keine besonders gute Schulbildung …«
    »Haben Sie mal einen Brief für ihn geschrieben?«
    »Nein.« Sie sah ihn fest an.
    »Nicht einen einzigen?«
    »Nein. Warum glauben Sie mir nicht? Wenn Sie wollen, schwöre ich Ihnen auf die Bibel, daß ich …«
    »Nun mal ganz ruhig, Mrs Purvis! Warum regt Sie denn meine Frage gleich so auf? Sie tun ja so, als sei es ein Verbrechen, für einen Nachbarn einen Brief zu schreiben.«
    »Es tut mir leid. Ich wollte nur nicht, daß Sie glauben, ich …«
    »Aber haben Sie ihm vielleicht mal einen Brief vorgel e sen?«
    Sie sah ihn aus schreckgeweiteten Augen an und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch sie brachte kein Wort heraus. Morse legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. »Nun haben Sie mal nicht solche Angst, Mrs Purvis. Es passiert Ihnen nichts. Ich weiß sowieso Bescheid, aber ich muß es noch einmal von Ihnen selbst hören.«
    Sie warf ihm einen dankbaren Blick zu, und dann begann sie zu erzählen. Jackson hatte ihr für die neuen Leitungen ursprünglich hundert Pfund berechnen wollen, war aber bereit gewesen, auf fünfundsiebzig Pfund herunterzugehen, wenn sie ihm einen Gefallen tue. Er habe da einen Brief, den er sich gerne vorlesen lassen wolle, sie müsse jedoch versprechen, niemandem etwas davon zu erzählen. Das war ihr einfach genug erschienen, und so hatte sie eingewilligt. Dann, beim Vorlesen, war ihr klargeworden, daß es sich um Miss Scotts Abschiedsbrief handeln mußte. Jackson hatte ihn wohl irgendwo im Haus gefunden, vielleicht hatte er auf dem Küchentisch

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