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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Morse, über die Murdochs und ihre Beziehung zu Anne Scott nachzudenken. Aber er war müde und hatte zuviel Bier getrunken, und es kam nichts dabei heraus.
     

Kapitel Dreißig
     
    Es gibt mitunter Arbeiten, bei denen Satzbau, Rechtschre i bung
    und Interpunktion sich an keine Regel halten und völlig
    willkürlich sind. Der Prüfer sollte in solchen Fällen nicht
    zögern, die Annahme der Arbeit abzulehnen und ein ›Nicht
    bestanden‹ auszusprechen.
    Kriterien für die Bewertung
    des Zulassungsaufsatzes für die Oberstufe
     
    Am Donnerstag kam Morse erst spät ins Büro und begrüßte Lewis nur mit einem kurzen Nicken. Er fühlte sich unausgeschlafen und verkatert und hatte sich im stillen gelobt, heute einmal nichts zu trinken. Ein notwendiger Entschluß, der ihn jedoch nicht gerade freudig stimmte. Während Lewis sich im Zwei-Finger-System abmühte, einen Bericht zu tippen, nahm Morse sich noch einmal den Erpresserbrief vor, den sie in Charles Richards’ Schreibtisch gefunden hatten. Bei oberflächlichem Lesen schien es, als besitze er alle für derlei Schreiben typischen Charakteristika: er war ungelenk im Ausdruck, fehlerhaft in der Orthographie, die Interpunktion erratisch. Doch wenn man ihn ein zweitesmal etwas gründlicher las, war der Eindruck auf einmal ein ganz anderer.
    »Lewis?« Der Sergeant hob den Kopf. »Hier, lesen Sie sich den Brief noch mal durch.« Er schob ihm den Bogen über den Schreibtisch. Lewis begann zu lesen.
    »Na? Fällt Ihnen etwas auf?«
    »Meinen Sie die Rechtschreibung? Noch schlechter als meine, würde ich sagen, aber dafür hatte er geschickte Hände.«
    »Mit er meinen Sie Jackson, wenn ich Sie recht verstehe?«
    Lewis sah ihn erstaunt an. »Ja, natürlich – wen denn sonst?«
    »Sie glauben also, daß Jackson den Brief geschrieben hat?«
    »Sie etwa nicht?«
    »Nein, ganz recht, ich nicht. Ich bin fest davon überzeugt, daß Jackson nicht eine einzige Zeile hätte zu Papier bringen können, geschweige denn einen ganzen Brief. Ich habe Ihnen doch erzählt, daß ich unter seinen Sachen zwei Broschüren zu diesem Fernsehprogramm Wir packen es – oder wie das nun heißt – gefunden habe, und das ist nicht für Leute gedacht, die mit dem Schreiben oder Lesen nur etwas auf Kriegsfuß stehen, das ist für Analphabeten, die überhaupt nicht lesen und schreiben können und sich zu Tode schämen, wenn jemand dahinterkommt. Wenn Jackson jemanden gebeten hat, den Brief für ihn zu schreiben, dann muß das jemand gewesen sein, zu dem er großes Vertrauen hatte …«
    »Aber der Brief ist doch fast wie der von einem Analphabeten. Damit würde er nicht mal mehr einen Sonderschulabschluß kriegen, wenn Sie mich fragen.«
    »So, meinen Sie? Dann sollten Sie sich mal ansehen, was manche unserer Polizeibewerber in ihrer Eingangsprüfung so produzieren … Und im übrigen ist das ganz und gar nicht der Brief eines Analphabeten. Da sind Sie gewaltig auf dem Holzweg, wenn Sie das denken. Hier, sehen Sie sich den Brief noch einmal genau an.« Er schob ihn erneut hinüber, lehnte sich in seinen Sessel zurück und betrachtete Lewis mit dem etwas herablassenden Blick eines Lehrers, der darauf wartet, daß einem begriffsstutzigen Schüler endlich ein Licht aufgeht. »Ein Brief ist doch in erster Linie dazu da, etwas zu übermitteln. Darin würden Sie mir doch zustimmen, oder? Ich gebe ja zu, daß die Rechtschreibung sehr zu wünschen übrigläßt; aber, Lewis, das, worauf es ankommt, nämlich die Aussage des Briefes, ist klar und eindeutig. Den Brief hat jemand geschrieben, der seine Sache verstand. Jemand, der gebildet ist – gebildet genug jedenfalls, um zu wissen, wie man glaubhaft den Eindruck mangelnder Bildung erweckt, wenn Sie verstehen, was ich meine. Der Brief an Richards war genau die Art Brief, die ich selbst auch schreiben würde, wenn ich aus irgendeinem Grund vortäuschen wollte, daß ich des Schreibens nicht recht mächtig sei. Die Anweisungen an Richards sind doch so formuliert, daß absolut nichts mißzuverstehen ist … Und überlegen Sie mal, wie das war, als Sie den Brief gelesen haben; die Tatsache, daß er Bescheid klein und weiß mit ›s‹ schreibt, hat Sie doch nicht gehindert, den Inhalt zu verstehen. Sie haben doch trotzdem sofort kapiert, was er meint. Nein, nein, Lewis, der Brief stammt nicht von Jackson. Nie und nimmer!«
    Morse nahm ein Blatt Papier, schrieb etwas auf und reichte das Blatt Lewis. »Können Sie mir sagen, was das heißen soll?«
    Lewis blickte

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