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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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entflammt hat.«

SIEBENUNDZWANZIG
    A uch außerhalb der Stadt, die in Falcóns Rücken im Dunstkauerte wie ein Tier in seinem eigenen Gestank, war es noch brutal heiß, doch die sanft geschwungene weite Ebene mit ihren wiegenden braunen Gräsern und den Hügeln in der Ferne besänftigte sein inneres Unbehagen etwas. Als er durch die Sierra fuhr, wurde es kühler, und obwohl die Temperatur nie unter Körperwärme sank, kam das Gefühl, aus dem fiebrigen Beton der Stadt in das hohe Grün der Kastanien entkommen zu sein, einem milden Delirium gleich. Oder lag es daran, dass im Radio »Benny and the Jets« von Elton John lief?
    Es war unmöglich, sich vorzustellen, dass hier draußen irgendetwas Schreckliches passieren konnte. Während die Stadt die Armen, Verlorenen, Verdorbenen und Unterdrückten anzog, schien das Land unberührt. Die raschelnden Blätter der Bäume filterten das Sonnenlicht zu einer reinen, getupften Erinnerung an weniger verwirrte Zeiten. Bis Falcón von der Hauptstraße in Richtung Almonaster la Real abbog.
    Der Holzkohlegestank des abgebrannten Waldes stieg ihm in die Nase, noch bevor er die geschwärzten Stümpfe und die versengten und entlaubten Bäume sah, die ihre rindenlosen Äste ausstreckten wie Brandopfer ihre Arme. Auf dem Boden schwelte immer noch grau-weiße Asche, als würde der Wald nach der verheerenden Verwüstung erschöpft keuchen. Der weiße Himmel lieferte einen unbarmherzigen Hintergrund.
    Die Polizisten und Feuerwehrmänner, die er in der Dorfkneipe von Almonaster traf, wirkten grimmig, die Einheimischen schockiert und verzweifelt wie Überlebende eines Kriegs.
    Man brachte ihn zu der mehrere Kilometer außerhalb des Dorfes einsam im Wald gelegenen Finca. Ein knapp ein Kilometer langer, unbefestigter Weg führte zu dem Haus, dessen schwarze fenster- und dachlose Hülle aussah wie ein riesiger eingeschlagener Schädel.
    Das Feuer hatte alles, was in dem Haus aus Holz gewesen war, zerstört. Den ersten Stock gab es nicht mehr. Er war verbrannt und unter dem Gewicht des einstürzenden Daches auf den Betonboden eine Etage tiefer gesackt. Im Erdgeschoss türmten sich schwarze Terracottafliesen, verkohlte Balken, Möbel, qualmende Matratzen und Fernseher ohne Bildschirm in Pfützen von geschmolzenem und wieder ausgehärtetem Plastik.
    Man führte Falcón in den rußgeschwärzten, aber weitgehend intakten Keller, der anders aussah als alle anderen Keller, die er je gesehen hatte. Er bestand aus einem kurzen Korridor mit zwei Metalltüren auf jeder Seite. Die Türen hatten Riegel an der Außenseite, vor die auch ein Schloss gelegt werden konnte. Keiner der Räume dahinter hatte ein Fenster, in allen standen Pritschen mit verbrannten Matratzen. Es waren Zellen, in denen man Menschen gefangen gehalten hatte.
    In einer der Zellen, deren Wände ungetüncht waren, sodass der nackte Stein zu sehen war, war in der Ecke neben dem Bett etwas in den Stein gekratzt. Es waren kyrillische Buchstaben. Auf dem Boden lag ein Emailleschild mit der Vorderseite nach unten.
    Sie gingen wieder nach oben, und man führte ihn nach draußen, wo das Gras verbrannt war und einen nackten Streifen schwarz-brauner Erde hinterlassen hatte, der aussah wie das Fell eines kranken Hundes. Am Rande des Grundstücks erhoben sich zwei Erdhügel.
    »Weil der Wald abgebrannt ist, konnten wir diese beiden Erhöhungen ausmachen«, sagte der Beamte. »Wir haben etwa einen Meter tief gegraben und sind darauf gestoßen…«
    Falcón betrachtete die skelettierten Überreste zweier Menschen in der dunklen Erde.
    »Wir wollten vor dem Eintreffen des Gerichtsmediziners und der Spurensicherung nicht tiefer graben, aber der Arzt aus dem Dorf hat sie vermessen und meinte, es seien ein Junge und ein Mädchen von zwölf, dreizehn Jahren. Er schätzt, dass sie vor acht bis zwölf Monaten vergraben wurden, da kein Gewebe mehr übrig ist.«
    »Was wissen Sie über die Nutzung des Hauses?«, fragte Falcón, der irgendetwas sagen musste, bevor er seiner Wut nicht mehr Herr wurde.
    »Es wurde nur an Wochenenden benutzt und auch nicht regelmäßig. Meistens freitags und samstags abends.«
    »Haben Sie den Besitzer je kennen gelernt?«
    »Inspector Jefe Montes? Selbstverständlich. Er hat sich bei uns vorgestellt. Er sagte, er hätte das Haus gekauft, und ein paar Freunde würden es renovieren und es als Jagdhütte benutzen.«
    Gemeinsam gingen sie zum Haus zurück, und Falcón bemerkte die Klimaanlagen für das Erdgeschoss und den ersten

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