Die Totenfalle
was du willst. Irgendwas ist nicht in Ordnung.« Er stand mit einer ruckartigen Bewegung auf. »Mir kommt das Ding hier vor wie eine Totenfalle. Du hast nicht gekniet, aber ich spürte, als ich die Oberfläche berührte, daß hier Kräfte existieren, die mich praktisch in das Grab hineinziehen wollten. Und das gefällt mir gar nicht.«
»Der Tote?«
»Der sicherlich nicht.«
»Dann sie?«
Suko nickte. »Diese Tabitha wird uns auch im Tod noch Schwierigkeiten bereiten. Was ist mit den Leuten?«
»Sie stehen.«
Suko wollte sich davon selbst überzeugen und schaute an mir vorbei. Auch er sah nichts anderes als ich. Die Menschen waren zur Ruhe gekommen. Lichter, wohin wir schauten. Dunstig und blaß, passende Totenleuchten für diese Umgebung.
»Ich weiß nicht genau, auf was oder wen sie warten, John, aber ich könnte mir vorstellen, daß sich ihre große Meisterin bald zeigen wird. Die sind nicht grundlos hergeholt worden.«
»Rechnest du mit einem Zombie?«
»Nicht unbedingt. Es könnte ja sein, daß wir den Begriff Geistheilerin wörtlich zu nehmen haben. Plötzlich erscheint sie als feinstoffliches Wesen. Ich finde, daß es besser wäre, wenn wir sie stoppen. Du hast das Kreuz, John.«
»Ja, ich weiß.«
Es war ein guter Vorschlag, und ich hätte es eigentlich schon längst einsetzen sollen, aber die neue Situation hatte mich einfach zu stark abgelenkt. Jetzt war es zu spät.
Plötzlich veränderte sich die Lage. Die Erde brach auf. Ich hörte noch Sukos Fluch, sah ihn fallen, dann traf es auch mich. Ich rutschte nach hinten, warf meine Arme dabei in die Höhe und sah im Fallen, daß sich nicht nur das Grab geöffnet hatte, sondern aus der Erde etwas in die Höhe geschleudert wurde, das innerhalb der Wolke aus Staub und Dreck nicht sofort zu erkennen war.
Es war ein Toter!
Ein Mann, der aus dem Grab hervorkatapultiert wurde. Für einen kurzen Moment schwebte er über dem Rechteck. Es sah so aus, als wollteer in der Luft stehenbleiben, dann sackte er wieder nach unten und fiel hinein in die hochgewirbelten Reste, doch das sah ich nicht mehr, denn ebenso wie Suko rutschte ich den feuchten Hang hinab, wo ich mich noch überschlug. Ich ärgerte mich darüber, daß wir so überrascht worden waren. Auf mich herab regnete der Dreck, und ich glaubte auch, ein scharfes Lachen zu hören.
Ich bremste den Rutsch selbst, kam auf die Knie und schaute wieder hoch.
Der Tote rollte mir entgegen.
Er überschlug sich mehrmals dabei. Arme und Beine hämmerten mit dumpfen Schlägen gegen den weichen Grasboden. Ich stoppte ihn, indem ich einen Arm ausstreckte, und all die Menschen hinter mir taten nichts, um mich zu stoppen.
Abwarten… Es mußte sich einfach etwas tun. Tabitha hatte mit diesem Vorspiel bewiesen, wie stark sie war. Als nächstes würde sie erscheinen und sich ihren Freunden zeigen.
Darauf lauerte ich. Sie kam nicht.
Keine Geräusche hinter mir. Ich dachte jetzt in abgehackten Sätzen, ich stand auf dem Sprung, ich rechnete mit allen Möglichkeiten, doch es blieb still.
Bis auf das Keuchen.
Als ich es hörte, wurde ich abgelenkt, denn ich sah, daß auch Suko schräg gegenüber aufgestanden war. Das Keuchen blieb…
Der Nebel veränderte es, ich stellte zudem nicht fest, aus welcher Richtung es kam. Aber es war da, es näherte sich, und es schob sich flach über den Boden, verdeckt und geschützt durch den wabernden Nebel.
Als ich vorging, löste sich die Gestalt.
Etwas blitzte in ihrer Hand.
Eine Spiegelscherbe, und die Spitze zielte auf meinen Rücken!
***
Auch Lady Sarah Goldwyn hielt die beiden brennenden Kerzen in den Händen. Zusammen mit Jane hatte sie sich weit nach vorn gemogelt, so daß sie praktisch in der ersten Reihe stand und nun abwartete, wie es weiterging. »Ist das nicht stimmungsvoll?« hauchte sie, ganz unter dem Eindruck dieser ungewöhnlichen Szenerie stehend.
Jane schwieg.
»Warum sagst du nichts?«
»Weihnachten gefällt mir besser, Sarah.«
»Du mußt es so nehmen, wie es ist, Jane. Das hier ist auch etwas Besonderes. Ich hätte nie gedacht, daß ich mich dafür begeistern kann, aber das ist nun mal so.«
Jane hielt den Mund. Sie gönnte Sarah Goldwyn ihren Spaß. Allerdings wunderte sie sich darüber, daß sich die Horror-Oma von diesem Bild, zu dem sie ja auch einen Teil beitrug, dermaßen gefangennehmen ließ. Sie hatte den Überblick verloren, besonders den Sinn für die Realitäten. Jane mußte zugeben, daß dieses Bild nur auf dem nebligen Friedhof schon
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