Die Totenfalle
gelöst und kam auf uns zu. Es war ein Mann, der mit beiden Händen winkte und noch ziemlich jung war, das sahen wir, als er schweratmend neben uns stoppte.
»Sie wollen zu ihr?«
»Was meinen Sie?«
»Zu dieser… dieser Frau…«
»Ja«, sagte ich.
Der Mann wollte zurückweichen und beide Arme heben. Er überlegte es sich und blieb stehen. Dafür weiteten sich seine Augen, als hätte er etwas Furchtbares gesehen. »Um Himmels willen, nein, das dürfen Sie nicht, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist. Ich war da, ich habe es gesehen, es war einfach grauenhaft.«
»Was war grauenhaft?«
»Das Grab.«
»Oder war etwas mit der Toten?« fragte Suko.
Der junge Mann zuckte zusammen. »Ich weiß es nicht, ich kann es nicht genau sagen.«
»Wie heißen Sie eigentlich?« fragte ich. »Wieso laufen Sie hier über den Friedhof?«
»Mark Freeman ist mein Name. Ich bin Aushilfsgärtner, eigentlich Student, aber ich helfe hier mit.« Er berichtete uns mit hektischer Stimme, was er erlebt hatte.
Wir waren zunächst skeptisch. Trotz seiner Furcht sprach Freeman überzeugend. Immer wieder schielte er dabei zum Grab der Geistheilerin hin.
»Und Sie haben dort tatsächlich eine Leiche gesehen?« fragte Suko.
»Ja, ja, verdammt. Sogar an der Oberfläche. Wenn Sie hingehen sollten, ich betone sollten, dann werden Sie feststellen, daß die Oberfläche nicht so ist, wie sie eigentlich hätte sein sollen. Die ist einfach anders, sie ist aufgerauht.« Er wühlte mit seinen Händen im Dunst und wollte uns zeigen, was er meinte. »Zuerst dachte ich, daß dort jemand gearbeitet hätte, dann aber schaute ich mir das Grab genauer an und entdeckte, daß die Erde von unten aufgewühlt worden ist.«
»Die Frau könnte also versucht haben, aus dem Grab zu steigen«, sagte Suko.
»Ja, so ist es.«
»Als Zombie?«
Er nickte und schüttelte daraufhin den Kopf. »Nein, denn so etwas gibt es doch nicht – oder?« Hechelnd hatte er die Frage gestellt, dann winkte er wieder ab.
»Sie können machen, was Sie wollen, ich habe Sie jedenfalls gewarnt.«
»Was wollen Sie denn jetzt tun?«
»Verschwinden, endgültig.«
»Werden Sie die anderen auch warnen?«
»Welche anderen?«
Suko lachte. »Die zahlreichen Besucher, die schon eingetroffen sind oder diejenigen, die noch eintreffen werden. Heute ist so etwas wie eine Wallfahrt angesagt.«
»Zu ihr?« keuchte Freeman.
»Das denken wir.«
»Ohne mich«, sagte er hastig und schlug ein Kreuzzeichen. »Mir ist es hier nicht geheuer. Dieser Friedhof ist nicht mehr normal. Hier spukt es, hier tanzt der Teufel über das Grab…« Es waren seine letzten Worte, denn er drehte sich auf der Stelle herum und rannte wie von Furien gehetzt davon. Nichts wollte er mehr mit uns zu tun haben, ich sah, wie skeptisch Suko zum Hügel hinschaute.
»Da können wir uns ja auf etwas gefaßt machen«, sagte mein Freund.
»Das meine ich auch.«
Für uns war klar, daß wir uns das Grab aus der Nähe anschauen mußten. Besonders jetzt, wo wir noch die Chance dazu hatten, denn noch hielten sich die Menschen zurück.
»Dann mal los«, sagte Suko und machte den Anfang…
***
Sie hätte vor Wut schreien können, aber sie hielt sich zurück und hoffte darauf, daß alles gut werden würde, besonders deshalb, weil Tabitha sich aus der Ferne und dank ihrer kaum beschreiblichen Kräfte bei ihr meldete.
Yvonne hatte die Wohnung verlassen und zuvor Glendas Mantel übergestreift. Natürlich war die Person verschwunden, und vor der Haustür schaute sich Yvonne wütend um. Zwar sah sie einige Passanten, die aber bewegten sich wie Geister durch den Dunst. Zudem traf keiner Anstalten, zu ihrem Haus einzuschwenken. Es ging allein um dieses Weib!
Yvonne senkte den Kopf. Sie starrte auf ihre blutigen Hände und auch auf die verschmierte Spiegelscherbe, die sie noch festhielt. Ihre einzige Waffe, die sie freiwillig nicht aus der Hand geben würde, das stand schon mal fest.
Das nächste Ziel war ihr Auto. Alles andere mußte sie vergessen. Jetzt ging es einzig und allein darum, so schnell wie möglich zu ihr zu gelangen und sie zu schützen. Niemand sollte ihr ein Leid antun, wer es trotzdem versuchte, würde schneller tot sein, als ihm lieb war. Yvonne Terry schloß den Wagen auf, und an vielen Stellen blieben die Abdrücke ihrer blutigen Hände zurück. Wenig später auch innen, als sie sich gesetzt hatte.
Sie startete.
Das Gesicht zeigte noch immer eine Fratze. Yvonne spürte ein Gefühl in sich, wie sie es noch nie gekannt
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