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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Zuges in den Florentiner Hauptbahnhof Santa Maria Novella kein Wort mehr.
    Als sie durch die Stadt bummelten, schien Magda alle Probleme vergessen zu haben. In der Via de’ Cerretani kaufte sie sich in einem kleinen Dessousladen einen Gürtel mit einem Schlangenkopf als Gürtelschnalle, den sie in der Auslage gesehen hatte, und freute sich darüber wie ein kleines Kind. Dann hängte sie sich in Lukas’ Arm und zog ihn durch die Altstadt. Sie hatte das Talent, zügig voranzukommen, aber dennoch kein Schaufenster und keine Kleinigkeit darin zu übersehen.
    »Willst du auch in den Dom?«, fragte Lukas.

    »Heute nicht«, erwiderte sie, »heute hab ich etwas ganz anderes vor.«
    Ihr Ziel war die Ponte Vecchio. Auf der Piazza della Repubblica tranken sie einen Kaffee, schlenderten dann durch die Via Calimala, an der Loggia del Mercato Nuovo vorbei und bogen schließlich in die Via Por Santa Maria ein, die direkt in die Ponte Vecchio mündet.
    Magda blieb stehen und sah ihn an. Lukas glaubte noch nie so viel Wärme und Liebe in ihren Augen gesehen zu haben wie in diesem Moment.
    »Lass uns Ringe kaufen«, sagte sie und lächelte. »Ich kann es nicht mehr aushalten, keinen Ehering an der Hand zu haben. Dann fühle ich mich, als wäre ich gar nicht verheiratet, gar nicht mit dir verbunden. Lass uns das alles noch einmal machen, genau wie damals.«
    Lukas nickte und küsste sie. Dabei dachte er an seinen Bruder, den sie ermordet hatte.
    Magda suchte zweieinhalb Stunden. Sie betrat jedes Geschäft und ließ sich sämtliche Trauringe zeigen. Denn obwohl ihr viele Ringe gefielen und sie in fast jedem Geschäft einen Favoriten hatte, zog sie weiter. Hatte Angst, ein noch schöneres, ein absolut optimales Exemplar zu übersehen.
    Lukas stand neben ihr und schwieg. Er fühlte sich als Beiwerk, als stummer Begleiter und Sklave der Kaufsucht dieser Frau. Bei der Wahl des Ringmodells war er vollkommen leidenschaftslos und hatte das Gefühl, dass Magda es vor allem genoss, ihn den Verkäufern als den Mann zu präsentieren, den sie vorhatte zu heiraten.
    Schließlich entschied sich Magda für relativ breite und schwere weißgoldene Ringe mit drei winzigen Brillanten, die sie bereits im ersten Geschäft ganz zu Anfang gesehen
hatte. Lukas empfand so einen Ring an seiner Hand als viel zu heftig, er schämte sich fast dafür, aber er sagte nichts. Wollte sie nicht verärgern und wollte nicht riskieren, dass die Odyssee durch sämtliche Läden von Neuem begann.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Lukas, als sie aus dem Geschäft kamen und auf der Ponte Vecchio standen, durch die sich jetzt am späten Nachmittag wesentlich zahlreicher als am Vormittag die Touristen schoben. »Wollen wir irgendwo was essen gehen?«
    Magda schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe überhaupt keinen Hunger. Lass uns nach Hause fahren, und dort feiern wir mit einer Flasche Champagner unsere zweite Hochzeit.«
    Lukas wäre zwar gern essen gegangen, aber er widersprach ihr nicht und fügte sich seinem Schicksal. Die Schachtel mit den Ringen in seiner Jacke fühlte sich an wie ein Wackerstein, der in der Lage wäre, ihn bis zum Meeresgrund in die Tiefe zu ziehen. Er wusste, dass er, seit es keinen Zweifel mehr daran gab, dass Johannes auf La Roccia begraben war, Magda gegenüber völlig verkrampft war. Er lebte an der Seite der Mörderin seines Bruders, war selbst völlig unschuldig, aber der Hauptverdächtige, falls die Leiche gefunden werden sollte. Ein Irrsinn.
    Magda hängte sich in seinen Arm und summte leise, als sie durch die florentinischen Gassen zurück zum Bahnhof gingen.
    »Du hast fünfundzwanzigtausend Euro abgehoben«, sagte Magda ohne jede Vorwarnung. »Wofür?«
    Lukas zuckte zusammen. Sie hatte ihn kalt erwischt.
    »Ach, Magda«, stöhnte Lukas auf, »ich wollte dich eigentlich mit meinen Problemen nicht belasten.«

    »Was ist?«
    »Ein paar Schwierigkeiten in der Firma. Wir sind im Moment nicht liquide. Unter anderem muss ich auch deswegen nach Deutschland.«
    »Fünfundzwanzigtausend Euro! Johannes, ich bitte dich! Seit wann springen wir denn in der Firma mit unserem privaten Geld ein? Das hast du ja noch nie getan, und Liquiditätsprobleme gab es schon öfter!«
    »Diesmal ist es notwendig. Glaub mir, Magda, aber es ist nur vorübergehend.«
    Magda war verstimmt. »Ich sehe es trotzdem nicht ein.«
    Er wollte die Diskussion beenden und wusste sich nicht anders zu helfen, als sie an sich zu ziehen und zu küssen, obwohl ihm das ziemlich plump

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