Die Totengräberin - Roman
erschien.
Magda sah ihn an, und es lagen Unsicherheit und Besorgnis in ihrem Blick. »Mach das nicht wieder, Amore«, sagte sie. »Es macht mir Angst. Gerade jetzt, wo es in der Firma drunter und drüber geht, wie du selbst sagst. Irgendwann läuft es nicht mehr, und dann stehen wir da. Denn das Geld, das du in den Betrieb schießt, kannst du abschreiben. Davon bin ich überzeugt.«
Lukas war klar, dass er jetzt nichts mehr vom Konto abheben konnte. Und falls Topo nach den Fünfundzwanzigtausend weitere Forderungen stellen sollte, war der Ofen aus. Dann bekam er ernsthafte Schwierigkeiten.
Vor wenigen Wochen war für ihn ein geplatzter Stückvertrag noch eine mittelschwere Katastrophe gewesen, und er hatte es als Problem betrachtet, keinen neuen Job zu finden - aber im Grunde war er frei und sorglos gewesen. Jetzt hatte er das Gefühl, bis zum Hals in Schwierigkeiten zu stecken und langsam darin zu versinken. Nirgends war auch nur der Ansatz einer Lösung in Sicht.
»Wir sollten einen Zahn zulegen«, sagte Lukas. »Der nächste Zug nach Montevarchi fährt in zwölf Minuten. Wenn wir den nicht kriegen, müssen wir fast eine Stunde warten.«
Magda überlegte nicht lange und rannte los. Lukas hatte beinah Mühe, mit ihr Schritt zu halten.
Sie erreichten La Roccia, als die Sonne glutrot hinter dem Solata vorgelagerten Hügel versank. Aber es fehlte der Abendwind, der normalerweise in der Dämmerung kam und dann eine gute Stunde anhielt.
Magda mochte diesen Wind nicht, er störte sie beim Abendessen auf der Terrasse.
»Heute ist es herrlich draußen«, sagte sie zu Lukas, »warm und windstill. Jetzt beginnen endlich die heißen Sommernächte, auf die ich das ganze Jahr über warte.«
Lukas ging in die Küche, bereitete einen Salat vor und kochte eine Zucchini-Suppe.
Als er zwanzig Minuten später mit zwei Windlichtern, Suppe, Käse, Salat und einer Flasche Rosso di Montalcino auf die Terrasse kam, war es fast vollständig dunkel. Magda saß immer noch mit geschlossenen Augen da und sah aus, als würde sie schlafen.
»Liebes, wach auf, das Essen ist fertig.«
»Ich schlafe nicht.«
Lukas deckte den Tisch. Magda stand auf und kam kurz darauf mit den Ringen wieder, die sie aus Lukas’ Jacke geholt hatte.
»Bitte setz dich«, sagte sie lächelnd und klappte die Schmuckschatulle auf.
Im Kerzenschein funkelten die Brillanten, und Lukas
dachte, dass es ihm eigentlich lieber wäre, wenn sie beide Ringe tragen würde.
Lukas schenkte den Wein ein. Magda hob ihr Glas.
»Du bist die große Liebe meines Lebens«, sagte sie leise und sehr ernst. »Ich bin glücklich mit dir. Überglücklich. Jeden Morgen danke ich dem Himmel, dass ich zusammen mit dir aufwachen darf, und freue mich auf den Tag, wenn du in meiner Nähe bist. Und ebenso danke ich Gott, dass ich neben dir einschlafen kann. Ich fühle mich beschützt, sorglos und frei. Nach all den Jahren finde ich es immer noch aufregend, mit dir zu schlafen, und meine Liebe zu dir ist im Lauf der Zeit nicht flacher, sondern immer stärker geworden. Ich habe es nie bereut, dich geheiratet zu haben, ich würde es immer wieder tun! Danke, Johannes.«
In ihren Augen schwammen Tränen, als sie mit ihrem Glas ganz sacht an Lukas’ Glas anstieß und ein klarer, heller Ton erklang.
Lukas überlegte fieberhaft, wie er jetzt reagieren sollte. Wie Johannes reagiert hätte. Er hatte noch einen winzigen Augenblick Bedenkzeit, als sie einen Schluck Wein trank. Dann sagte er:
»Das, was du gesagt hast, ist wunderbar, Magda, und macht mich glücklich. Mir geht es ganz genauso. Ich genieße auch jeden Tag mit dir und bin froh, eine so wunderbare Frau zu haben. Ich liebe dich, Magda.«
Jetzt weinte Magda lautlos, und Lukas steckte ihr den kleineren der beiden Ringe an den Ringfinger der rechten Hand. Dann tat sie dasselbe bei ihm.
Sie stand auf, setzte sich auf seinen Schoß, umarmte und küsste ihn. »Nichts und niemand wird uns jemals trennen«, flüsterte sie. »Niemals.«
Lukas versuchte, diesen wunderbaren Moment zu genießen, aber es gelang ihm nicht.
Der Gedanke an seinen toten Bruder, der auf La Roccia in der Erde vermoderte, ging ihm nicht aus dem Kopf. »Wer liebt, stirbt nicht«, hatte Johannes häufig gesagt, »davon bin ich überzeugt.«
60
Unaufhörlich bretterten die Harleys durch das Valdambra, das Dröhnen und Knattern der Motoren war an diesem Freitag auf der Strecke zwischen Montevarchi und Siena nirgends zu überhören. Die Bewohner dieser Gegend
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