Die Totengräberin - Roman
um Verzeihung zu bitten. Auch wenn Frau Dr. Nienburg es für einen Fehler hielt. Er würde ihr erklären, dass es keine andere Frau in seinem Leben gab, niemals gegeben hatte und niemals geben würde. Carolina war tot, sie brauchte sie nicht mehr zu fürchten. Er würde sie in die Arme nehmen und ihr versprechen, niemals wieder zu lügen. Nie mehr. Was auch geschehen sollte. Und dann wollte er ihr die Kette schenken, die er für sie in Berlin gekauft hatte. Durch den gestrigen Streit war er gar nicht dazu gekommen, sie ihr zu geben. Ein zartes, goldenes Kettchen mit einem Aquamarin als Anhänger in Form eines Tropfens, oder auch einer Träne, die zu einer Kostbarkeit geworden war.
Sie war die große Liebe seines Lebens, und das würde er ihr sagen.
Morgen früh. Oder besser, heute Morgen, beim Frühstück, in wenigen Stunden.
Sie wird mich verstehen und mir verzeihen, da war er sich ganz sicher.
Alles wird gut, dachte er, alles wird gut.
76
Sie hatte sich in den Schlaf geweint. Den ganzen Abend hatte sie gehofft, dass er kommen, sie in den Arm nehmen und sich neben sie legen würde - aber er kam nicht.
Schließlich war sie erschöpft eingeschlafen.
Als sie gegen sechs aufwachte, dröhnte ihr Kopf, und sie spürte, dass ihre Augen zugeschwollen waren.
Johannes lag neben ihr. Sie hatte nicht gehört, wann er ins Schlafzimmer gekommen war, aber jetzt sah sie, dass er tief und fest schlief. Sein Atem ging gleichmäßig.
Magda stand leise auf, zog sich ihren Bademantel über und die Hausschuhe an. Sie ging ins Bad, putzte sich die Zähne, und als sie unter der Dusche stand und das warme Wasser auf ihrem Körper spürte, kreiste wieder nur der eine Gedanke in ihrem Kopf: Er hat alles kaputt gemacht.
Sie zog sich Shorts und ein T-Shirt an und ging in die Küche. Erst um sieben würde sich der Radiowecker im Schlafzimmer einschalten. Genug Zeit, denn es würde noch mindestens eine halbe Stunde dauern, bis er zum Frühstück herunterkam.
Sie öffnete die Terrassentür und trat hinaus. Es würde wieder ein heißer Tag werden. Aber noch war es kühl. Sie atmete tief durch, legte den Kopf in den Nacken und genoss einen Moment die frische Morgenluft.
Es gab keinen Zweifel mehr, sie war sich vollkommen sicher. Es war richtig und gut.
Magda ging zurück in die Küche und setzte Teewasser auf. Dann wischte sie den Küchentisch ab und deckte ihn mit zwei leuchtend blauen Sets, Besteck, Teller und Tassen, mit Salami, Pecorino und ein paar Radieschen.
Als das Wasser kochte, goss sie den Tee auf. Dann fing sie an, Johannes’ Müsli vorzubereiten. Sie schnitt das Obst in kleine Würfel. Einen Apfel, eine halbe Banane, eine halbe Orange. Darüber drei Esslöffel Müsli.
Sie hörte, dass oben die Schlafzimmertür geöffnet wurde. Kurz darauf klappte die Badezimmertür. Er war also aufgestanden. Wahrscheinlich noch zehn Minuten, bis er kam. Mit der Milch wollte sie noch warten, damit das Müsli nicht zu weich wurde.
Das Gift hatte sie in ihrer Hosentasche. Er würde nichts merken und keine Schmerzen haben. Das war sie ihm schuldig.
Sie wartete ungeduldig. Ging in der Küche auf und ab, säuberte die Brotschneidemaschine, machte sich eine Einkaufsliste und sah im Küchenschrank nach, ob irgendeines von den Gläsern und Konserven ein bereits abgelaufenes Verfallsdatum hatte.
Sieben Minuten später fand sie, dass die Zeit gekommen sei. Sie zog das Fläschchen aus der Hosentasche, schraubte es auf und ließ zwanzig Tropfen in die Milch fallen.
Jetzt gab es keinen Weg mehr zurück.
Lukas war zuversichtlich, als er an diesem Morgen aufstand. Er konnte es kaum erwarten, sie zu sehen und mit ihr zu reden, damit dieser Albdruck, der auf seiner Seele lastete,
endlich verschwand. Er duschte schnell und zog sich Jeans und das blaue T-Shirt an, von dem er wusste, dass es ihr ganz besonders gefiel.
Dann nahm er das immer noch angeschaltete, aber mittlerweile voll aufgeladene Handy von der Steckdose, schob es in seine Hosentasche, holte das kleine Schmuckkästchen mit der Kette aus seiner Reisetasche und ging nach unten in die Küche.
Magda lächelte, als Lukas in die Küche kam. Er ging auf sie zu, nahm sie fest in die Arme und küsste sie leidenschaftlich.
»Bitte, vergiss alles, was ich gestern Abend gesagt habe. Es war gelogen. Es gibt keine andere Frau, es gibt keine Carolina, Carolina ist tot, in meinem Leben existierst nur du.«
Einen Moment glaubte sie ihm. Aber dann nagte erneut der Zweifel in ihr. Warum hatte er
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