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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Tillmann. Er wird am Wochenende nicht wiederkommen, er wird überhaupt nicht mehr wiederkommen. Sie sind allein, und Sie müssen zusehen, dass Sie sich jetzt in der neuen Situation zurechtfinden.«
    Magda sprang auf und rannte ins Haus.
    Sie floh. Hielt das Gespräch nicht aus. Nun gut, das war eine nachvollziehbare Reaktion, dachte die Therapeutin. Irgendwann würde sie schon kommen. So wie der Wolf davonläuft, wenn man ihm einen Brocken Fleisch hinwirft, sich dann aber doch langsam und vorsichtig wieder nähert.
    Daher machte Frau Dr. Nienburg nicht die geringsten Anstalten zu gehen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Sie hatte sich gestern Abend schon gewundert, dass kein Hotelzimmer im Albergo di Ambra für sie reserviert gewesen war. Aber sie hatte dies der Schusseligkeit des Pförtners zugeschrieben und sich keine weiteren Gedanken darüber gemacht, zumal noch genügend Zimmer frei waren. Sie bekam sogar eines mit Blick auf die Ambra. Kurz vor dem Schlafengehen hatte sie noch eine halbe Stunde auf dem Balkon gesessen und auf den kleinen Fluss und die Lichter der Altstadt geguckt und war dankbar, dass sie nicht zur anderen Seite hinaus wohnte, direkt an der Durchgangsstraße, wo Tag und Nacht die Lastwagen zwischen Arezzo und Siena entlangdonnerten.
    Sie verzichtete am Abend darauf, Lukas anzurufen, und wollte ihn am Montagmorgen fragen, was schiefgelaufen war. Aber nun traf sie ihn nicht einmal an. Nicht im Traum hatte sie an diese Möglichkeit gedacht. Und dieses Verhalten, sie einfach zu versetzen, ohne den Termin abzusagen,
passte auch überhaupt nicht zu dem Lukas, den sie kennengelernt hatte.
    Daher war sie fest entschlossen zu bleiben, um herauszufinden, warum dieses Treffen nicht wie geplant stattfinden konnte.
    Frau Dr. Nienburg stand auf, um sich ein bisschen umzusehen. Seit einer Thrombose im linken Knie vor zwei Jahren machte ihr langes Sitzen große Schwierigkeiten.
    Sie schlenderte ums Haus und versuchte, sich ein Bild von der Frau zu machen, die hier ihren Sommer verbrachte. Der Garten war ungepflegt, aber die kurzen Blicke, die sie durch offen stehende Fenster ins Haus werfen konnte, zeigten einen überaus ordentlichen und sauberen Haushalt und eine auffallend geschmackvolle Einrichtung.
    Warum lässt mich Lukas so hängen, überlegte sie, warum bloß? Dafür muss es doch einen Grund geben?
    Sie zog ihr Handy aus der Tasche und wählte erneut Lukas’ Nummer.
    Und einen Augenblick später hörte sie die Titelmelodie aus dem Film »Der Pate«. Lukas’ Klingelton. Sehr leise zwar, aber sie hörte ihn.
    Irritiert sah sie sich um. Lukas war also ganz in der Nähe. Aber sie sah ihn nicht, obwohl der Gemüsegarten überschaubar war. Hier gab es keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Die Mailbox schaltete sich ein.
    »Lukas«, sprach sie aufs Band, »um Himmels willen, Lukas, wo sind Sie? Hier ist Mechthild Nienburg, bitte rufen Sie mich unbedingt zurück!«
    Sie knipste das Gespräch wieder weg.
    Langsam und nachdenklich ging sie durch den Garten. Was war hier los? Wieso hörte sie Lukas’ Klingelton? Ein Olivenbäumchen war frisch gepflanzt, das sah man sofort,
obwohl es ungewöhnlich war, eine Olive in ein Gemüsebeet zu setzen.
    Sie blickte zum Haus, Magda war nicht zu sehen.
    Noch einmal rief sie Lukas an, und wieder hörte sie leise die Melodie.
    Mechthild Nienburg hockte sich hin, um besser orten zu können, woher die Musik kam. Und aus dieser Perspektive fiel ihr etwas auf, was sie zuvor noch nicht bemerkt hatte: Die Erde in der Umgebung des Bäumchens war leicht erhöht. Schmal und länglich.
    Ihr Herz klopfte wie wild, als sie sich mühsam erhob und näher an die Stelle heranging. Und jetzt sah sie es ganz deutlich: Die frische Erde hatte die Form und die Größe eines Grabes.
    Mit zitternden Lippen murmelte sie ein Gebet und drückte erneut auf die Wahlwiederholungstaste ihres Handys.
    Und wieder die Melodie des »Paten«. Leise, aber deutlich.
    Frau Dr. Nienburg bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper. Sie wusste noch nicht genau warum, aber sie hatte Angst. Eine diffuse Todesangst, wie man sie spürt, einen Augenblick, bevor die Erde bebt.
     
    Magda beobachtete Dr. Nienburg vom Küchenfenster aus. Genau dort, wo sie gestern Johannes vergraben hatte, stand diese widerliche Schnüfflerin. Was hatte sie mit Johannes zu schaffen? Warum reiste sie ihm bis nach Italien hinterher? Und warum verschwand sie nicht einfach und ließ sie in Ruhe?
    Gerade wollte sie zwei große Milchkaffee auf die

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