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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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die Filmfuzzis drehen bereits.«
    »Ich weiß, wie du dich fühlst.« Sie saß auf der Terrasse vor dem Haus und hatte das Handy am Ohr. Die Grillen zirpten in der Dunkelheit, und Heerscharen von Mücken und Motten tanzten um die Kerze auf dem Tisch. Ab und zu verbrannte laut zischend ein Insekt, ein Geräusch, das Magda mit großer Befriedigung erfüllte.
    »Wenn eine Depression so ist, dass man noch nicht mal mehr Lust hat, sich abends zu besaufen, dann hab ich eine.«

    Magda lachte kurz auf. »Das hört sich ja fürchterlich an.«
    »Erzähl mir von dir«, bat Lukas. »Wie geht es euch? Was macht ihr den ganzen Tag? Wie lange bleibt ihr in Italien? … Du bist die Einzige, die mich im Moment aufmuntern kann.«
    »Hier passiert überhaupt nichts Spektakuläres. Johannes ist für ein paar Tage in Rom, einen alten Freund besuchen, aber Freitag kommt er wieder. Ich versuche, den Garten in Ordnung zu bringen, wühle von morgens bis abends in der Erde und habe bestimmt schon drei Kilo abgenommen. Aber ich denke mal, dass wir sicher noch vier, fünf Wochen bleiben. Plus minus ein paar Tage.«
    Lukas seufzte. »Magda, lass mich einfach mit der Tür ins Haus fallen. Würde es euch stören, wenn ich ein paar Tage zu euch komme? Ich mähe auch den Rasen, fahre einkaufen oder mache sonst was, aber hier in Berlin werde ich verrückt. Ich muss in Ruhe überlegen, wie es weitergeht.«
    »Na klar, komm her! Du störst uns überhaupt nicht«, log sie. Eigentlich wollte sie nur in Ruhe gelassen werden und allein sein. Sie brauchte niemanden, der sich darüber wunderte, dass Johannes nicht wiederkam, und dumme Fragen stellte. Andererseits gab es keinen triftigen Grund, Lukas den Besuch zu verwehren. Es gab ein Gästezimmer auf La Roccia, und Johannes fand es sehr angenehm, wenn sein Bruder da war und ihm bei der Arbeit auf dem Grundstück half.
    »Also pass mal auf«, fuhr sie fort, »Johannes ist am Freitag zurück, am Sonntag haben wir Gäste, aber danach … Montag oder Dienstag kannst du kommen. Kein Problem.«
    »Du bist ein Schatz, Magda.« Lukas jubelte fast.
    »Ich weiß.«
    »Ich werde mal sehen, ob ich einen einigermaßen billigen
Flug kriege oder ob ich lieber mit der Bahn komme. Wenn ich gebucht habe, rufe ich dich an und sage dir Bescheid. Okay?«
    »Prima. Mach das.«
    »Magda, ich freu mich so unsagbar. Danke.«
    »Nicht dafür.«
    »Wir hören voneinander. Und grüß Johannes, wenn er wieder da ist.«
    »Na klar. Lass den Kopf nicht hängen. Geht schon irgendwie weiter. Ciao, Lukas.«
    »Tschüss, Magda.«
    Er legte auf und reckte die Faust in die Höhe.
     
    Ein kühler Wind kam auf. Magda wurde kalt, und sie überlegte, ob sie sich eine Jacke holen oder lieber ins Haus gehen sollte. In weiter Ferne bellten Hunde. Kaum zu glauben, dass der Klang von Solata bis zu ihr herüberdrang, denn zwischen Solata und La Roccia lag noch ein bewaldeter Hügel.
    Sie löschte das Licht auf der Terrasse und die Außenbeleuchtung am Haus. Dann ging sie ins Bett. Dort kuschelte sie sich in ihre weiche Decke und dachte an Johannes.
    »Schlaf schön, mein Schatz«, murmelte sie, »schlaf gut, wo immer du jetzt auch sein magst. Und vergiss mich nicht.«
    In dieser Nacht träumte sie von Wölfen. Ein ganzes Rudel scharte sich um die Grabstelle. Sie buddelten wie die Wilden, die Erde flog in hohem Bogen, und sie gruben die Leiche in einem Tempo aus - so schnell hätte sie niemals mit Schaufel und Spaten graben können. Als die Wölfe fertig waren, reckten sie ihre schmalen Schnauzen zum Himmel und heulten den Vollmond an.

    Und dann sah sie, wie die Meute die grünen Mülltüten zerriss und sich gierig und wild über ihre Beute hermachte. Riesige Fleischfetzen rissen die Wölfe aus dem Körper, legten sich ins Gras und fraßen laut schmatzend. Ihre grauen Hundeschnauzen waren blutverschmiert. Einer von ihnen verschwand mit einem Unterschenkel im Wald. Voller Entsetzen sah sie, dass der Leitwolf begann, am Kopf zu nagen. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte Magda das Gefühl, das linke Auge zwinkere ihr zu. Ihr Herzschlag setzte aus. Sie kämpfte mit sich, ob sie es wagen sollte, sich auf den Leitwolf zu stürzen und ihm den Kopf abspenstig zu machen - aber sie tat es nicht, da sie befürchtete, selbst gefressen zu werden.
    Stattdessen begann sie zu schreien. Hoch und schrill wie ein Schwein, das gerade abgestochen wird.
    Die Wölfe hielten überrascht inne - dann rasten sie, mit einem Großteil der Beute in den Schnauzen,

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