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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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stand als auf der Rückseite, ließ ein paar populärwissenschaftliche Sätze über Amokläufer im Allgemeinen einfließen, die er sich aus dem Internet holte und die wunderbar unterstreichen konnten, dass er sich intensiv mit der Problematik auseinandergesetzt hatte. Und dann fügte er seinem Verriss noch hinzu: Mal abgesehen von der hanebüchenen Story … »hanebüchen« war immer gut, fand Topo, es war eines seiner Lieblingsworte, möchte ich auch nicht lesen, wie das Gehirn der Erschossenen über die Straße spritzt und die Autoscheiben verschmiert, ich esse nämlich gerade. Vielleicht ließen sich die Buchseiten dieses Romans auf der Toilette sinnvoller verwenden.
    Topo lehnte sich zurück und grinste. Er fand sich mal wieder genial. Für diese drastischen Worte liebten ihn seine Leser. Denn vor seinem kritischen Auge hatte nichts Bestand. Warum auch? Positive Rezensionen waren so spannend wie das Börsenblatt im Wartezimmer. Dass in dem von ihm besprochenen Buch letztendlich gar kein Amoklauf stattfand, weil er rechtzeitig verhindert wurde, wusste Topo nicht, und er wollte es auch gar nicht wissen. Er schrieb, was er wollte, und damit war der Fall erledigt.
    Topo rieb sich erleichtert die Hände. Feierabend. Seine wöchentliche Arbeit war erledigt. Er schickte die Texte per
Mail in die Redaktion und war wieder einmal äußerst zufrieden mit sich.
    Dann machte er sich an die Arbeit und leerte den Badezimmerschrank seiner Mutter, indem er alle Medikamente, Cremes, Tuben, Fläschchen und Döschen in einen großen Müllbeutel fegte.

34
    Das Wetter war unverändert schön. Wahrscheinlich würde es jetzt bis Mitte September so bleiben, meinten die Einheimischen in der Bar und verzogen die Miene. Für die Oliven war es wesentlich besser, wenn es hin und wieder regnete.
    Lukas war zum Bäcker und zur Post gefahren, brachte bei der Gelegenheit gleich den Müll weg, und Magda saß auf der Terrasse und schrieb an Thorben.
     
     
    Mein Schnuffilein,
    ich habe gerade ein bisschen Zeit, Dir zu schreiben. Papa ist einkaufen gefahren, und ich sitze auf der Terrasse. Es ist viel zu heiß, um irgendetwas im Garten oder im Haus zu tun.
    Vor drei Tagen habe ich mit Deinem Rektor telefoniert. Er hat gesagt, dass Du Dich sehr gut eingelebt hast. Das ist ja wundervoll, mein Schatz. Ich freue mich schon auf Deinen nächsten Brief, damit ich weiß, dass Du wirklich glücklich bist.
    Heute Morgen hat Papa den Garten umgegraben. Ein Wahnsinn, bei der Hitze. Aber Du weißt ja, wie er ist. Er schont sich nicht und kann nicht fünf Minuten still sitzen, ohne irgendetwas zu tun.
    Füchslein kommt jetzt übrigens regelmäßig. Jeden Morgen,
wenn wir frühstücken, sitzt er unter dem Busch und läuft auch nicht mehr weg, wenn Papa ihm Futter bringt.
    Außerdem haben wir jetzt eine kleine Meise, die jeden Tag am Fenster sitzt und gegen die Scheibe pickt. Ich habe ihr schon ein paar Brotkrumen hingestreut, aber das interessiert sie nicht. Sie scheint satt zu sein. Und wenn ich aus dem Haus komme, fliegt sie weg. Ein scheues Tier, aber ich habe mich so an sie gewöhnt, dass ich Angst bekommen würde, wenn sie einmal nicht da wäre.
     
    Liebster Schatz,
    mach es weiterhin gut, melde Dich, wenn Du irgendetwas brauchst, wir denken an Dich, wir freuen uns auf Dich, und wir sind immer für Dich da.
    In Liebe
    Mama und Papa
     
     
    Magda steckte den Brief gerade wieder in die Kiste, als Lukas zurückkam.
    Sie sah ihn an. »Ich möchte übrigens nach Rom fahren«, sagte sie ernst. »Am liebsten morgen schon.«
    »Warum? Was versprichst du dir davon?«
    »Ich möchte die Hotels abklappern, deren Namen wir in seinem Computer gefunden haben. Vielleicht erfahre ich ja irgendetwas. Eine winzige Kleinigkeit, die uns weiterbringt. Ich kann einfach nicht länger hier rumsitzen und nichts tun und mich damit abfinden, dass Johannes nicht mehr wiederkommt, ohne zu wissen, was ihm passiert ist. Das halte ich nicht aus. Verstehst du das?«
    »Ja, schon …« Lukas zögerte. »Aber was soll das bringen, Magda? Entweder du erfährst, dass er in keinem der
Hotels eingecheckt hat, oder du erfährst, dass er in einem der Hotels gewohnt und am Soundsovielten wieder abgereist ist. Und er wird dem Portier nicht gesagt haben, wohin. Also bist du kein Stückchen weiter und am Ende noch unglücklicher als jetzt.«
    Magda starrte ihn an. Dann schossen ihr die Tränen in die Augen, und sie fing hemmungslos an zu schluchzen. Es war mehr als weinen. Sie heulte wie ein

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