Die Totengräberin - Roman
war glücklich in diesem Moment und wünschte sich doch ganz weit weg.
Mit Carolina wäre auch noch einmal alles möglich. Es würde neu beginnen, wie vor zwanzig Jahren. Aber es war nicht fair Magda gegenüber.
Magda, die er immer noch liebte und die ein Kind von ihm erwartete.
Im Grunde seiner Seele liebte er beide.
Gegen fünf fiel er in einen unruhigen Schlaf und wurde drei Stunden später wach, als in der Küche die Espressomaschine zischte. Wahrscheinlich hatte Carolina vergessen, dass er morgens nur Tee trank.
Er verzichtete auf seine Bauchmuskelübungen und ging ins Bad.
Als er in die Küche kam, empfing ihn Carolina mit einem Kuss. »Was machst du denn hier? Geh zurück ins Bett, ich komme gleich mit dem Tablett.«
»Machst du mir einen Tee?«
Sie hielt einen Moment inne. »Verdammt - das hab ich vergessen. Ja, klar. Fünf Minuten, dann bin ich mit dem Frühstück bei dir.«
Sie war so unwahrscheinlich guter Laune - er hätte gleich gestern gehen und nicht noch eine Nacht mit ihr verbringen sollen.
Sie brachte das Frühstückstablett, den Tee und eine Flasche Champagner mit.
»Spinnst du?«, meinte er. »Es ist neun Uhr morgens!«
»Na und? Wir können ja hinterher weiterschlafen.«
Sie öffnete die Flasche und hockte sich dabei nackt auf seinen Bauch. »Vielleicht habe ich diese Woche, in der ich
dich nicht gesehen habe, gebraucht, um zu kapieren, wie wichtig du mir bist.«
Johannes schloss die Augen. Und alles, was Carolina dann tat, ließ er einfach mit sich geschehen. Und stellte sich vor, es wäre sein letzter Tag.
Als sie danach wieder erwachten, war es Viertel vor zwei.
Johannes ging unter die Dusche und zog sich an. Carolina saß am Computer und checkte ihre E-Mails. Er setzte sich ihr gegenüber auf die Couch.
Als sie das Programm beendete und lächelnd zu ihm aufsah, sagte er: »Carolina, ich werde dich verlassen. Ich möchte, dass wir unsere Beziehung beenden und uns nie wiedersehen.«
Carolina blieb ganz ruhig. »Sag das noch mal.«
»Carolina, es geht nicht. Ich hab mich in dich verliebt, das stimmt, aber ich halte dieses Doppelleben nicht durch. Ich habe begriffen, dass ich mich entscheiden muss. Zwischen dir und Magda. Es ist die Hölle, so eine Entscheidung treffen zu müssen. Das kannst du mir glauben.«
»Ach Gottchen. Mir kommen die Tränen.« Carolinas Mund war nur noch ein schmaler Schlitz. »Du hast dich also für deine Frau entschieden.«
Johannes nickte und hoffte, dass sie nun nichts mehr sagen würde.
Carolina schlug die Beine übereinander und verknotete mit einem geübten Griff ihre Haare am Hinterkopf. Das machte ihren Gesichtsausdruck noch strenger.
»Ich wusste gar nicht, dass du so ein mieses Stück Scheiße bist.«
Das war drastisch. Aber Johannes war ihr fast dankbar dafür. Es machte die ganze Sache leichter.
»Offensichtlich hast du deine Entscheidung ja schon getroffen,
bevor du hergekommen bist. Ein Anruf hätte gereicht. Aber nein, du kommst her, sagst keinen Ton und schläfst mit mir. Mehrmals sogar. Und dann, kurz vor dem Aufbruch, haust du mir dieses Ding um die Ohren. Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie ich mich fühle?«
»Es tut mir leid, Carolina, es tut mir wirklich leid. Aber ich konnte irgendwie nicht anders.«
Sie stand auf. Ihr Gesicht war jetzt krebsrot. »Hau ab! Verschwinde!«
Johannes fühlte sich hundeelend, als er seine Sachen zusammensuchte. Sie sah ihm schweigend dabei zu, starr vor Wut.
»Ich hatte mir einen anderen Abschied gewünscht«, sagte er leise, als er zum letzten Mal vor ihr stand. »Einen versöhnlicheren.«
»Wie naiv bist du eigentlich?«, zischte sie und wandte sich ab. »Hau ab und werde selig mit deiner Magda.«
»Lass mich dich noch einmal umarmen.«
»Verpiss dich.«
»Ciao, bella«, murmelte Johannes und verließ die Wohnung.
33
Topo schlief bis zehn. Er wohnte in seinem ehemaligen Kinderzimmer unterm Dach und hatte das ganze Wochenende damit verbracht, die Habseligkeiten seiner Mutter in Kisten zu verpacken, um sie der Misericordia zukommen zu lassen, oder er hatte sie säckeweise auf unterschiedliche Müllcontainer in der Umgebung verteilt. Die Möbel ließ er stehen. Er hatte schon mit einem Makler gesprochen und wollte versuchen, das Haus samt Inventar zu verkaufen.
Er hatte niemanden, der ihm bei dieser unerfreulichen Arbeit zur Hand gehen konnte, und er wusste, dass er noch Tage in diesem Haus zu tun hatte, wenn nicht Wochen. Seine Mutter hatte jahrelang nicht mehr aufgeräumt und
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