Die Totengräberin - Roman
anzuhören, sondern sehnte sich nach einem kühlen Bier.
Magda dagegen schüttelte den Kopf. »Ein Unding«, sagte sie. »Ich hätte den Kerl sofort rausgeschmissen. Ganz egal, was er für ein begabter Maler ist. Ich würde auch keinen Gärtner beschäftigen, wenn ich wüsste, dass er seine Frau ermordet hat.«
Sie hat keine Ahnung, dachte Topo erneut, sie hat wirklich keine Ahnung. Und er beschloss, später all die vielen kleinen Punkte in seinem Notizbuch zu notieren, die für Magdas Unschuld sprachen.
Unter jedem Fresko stand in lateinischer Sprache, welche Begebenheit das Bild darstellte. Topo übersetzte, erklärte und komplettierte die Geschichten. Auf dem dritten Fresko sah man zum Beispiel, wie der heilige Benedikt auf wundersame Weise einen zerbrochenen Holztrog wieder zusammensetzte. Topo zeigte Magda und Lukas, dass sich Sodoma im Hintergrund als Adliger mit zwei Dachsen im Hermelinmantel selbst porträtiert hatte.
So redete Topo unaufhörlich. Ergiebiger und weitaus interessanter als jeder Reiseführer, aber dennoch erlahmte Magdas Konzentration. Sie wartete auf die Gelegenheit, Lukas und Topo vorzuschlagen, eine Kleinigkeit essen zu gehen.
Anderthalb Stunden brauchten sie für den Kreuzgang,
besichtigten dann die Bibliothek von 1518 in Form einer dreischiffigen Basilika mit vierzigtausend Büchern und besuchten zum Schluss noch das kleine Geschäft der Mönche, in dem diese selbst hergestellte Salben und Tinkturen, Gewürze, Grappa, Bücher und kitschige Andenken aller Art verkauften.
Lukas erstand eine Gewürzmischung für sein Lieblingsessen Minestrone, Topo ein Buch über die Architektur einiger italienischer Klöster und Magda einen Rosenkranz, den sie Thorben schicken wollte.
Es war nach zwei, als sie im Restaurant La Torre auf dem Klostergelände, unmittelbar hinter dem Eingang, einkehrten.
»Dies ist heute mein Tag«, meinte Topo, als sie im Schatten eines Feigenbaums Platz genommen hatten, »ich habe Sie dazu überredet, mich an Ihrem Ausflug teilnehmen zu lassen. Es hat mir sehr gut gefallen, und zum Abschluss dieses außergewöhnlichen Vergnügens möchte ich Sie jetzt zum Essen einladen.«
»Einverstanden«, meinte Magda lächelnd, denn eine derartig pathetisch formulierte Rede duldete keinen Widerspruch, »aber nur, wenn wir Sie als Gegenzug zum Essen auf La Roccia einladen dürfen. Als Dank für diese wunderbare Klosterführung und für dieses Essen. Wann passt es Ihnen?«
»Immer«, sagte Topo und dachte daran, dass er dringend zurück nach Florenz musste, um einige Premieren zu sehen und zu kritisieren. »Ich komme wirklich gern.«
»Sagen wir Sonntagabend«, sagte Magda spontan und hatte in diesem Moment das Gefühl, eine interessante Bekanntschaft gemacht zu haben. Einen hochgebildeten, charmanten Mann, der offensichtlich genauso dringend
Kontakt zu Gleichgesinnten suchte wie sie. Topo erschien ihr plötzlich wie ein wertvolles Geschenk, und sie wusste, dass sie ihn schon jetzt nicht mehr missen mochte.
53
Und wieder war in der Post ein Foto von Johannes. Diesmal von der Seite aufgenommen. Unter dem Foto stand wie Hohn: »Tanti saluti, mio amico.« Viele Grüße, mein Freund.
Lukas schob das Foto im Wagen unter den Vordersitz und fuhr in die Altstadt von Ambra. Dort holte er beim Alimentari fünf Artischocken und ein Brot. Dann trank er noch einen Kaffee in der Bar und machte sich auf den Rückweg.
Als er am Haus ankam, fegte Magda gerade die Terrasse. Sie lächelte.
»Na, gibt’s was Neues in der Post?«
Lukas schüttelte den Kopf. »Zwei Kontoauszüge. Nichts Besonderes.«
Magda nickte und fegte weiter.
»Ach, was ich dir noch sagen wollte … Jetzt bitte nicht böse sein, Schatz, aber sonst hast du immer ganz automatisch zu Beginn des Urlaubs den Entkalker im Thermenzimmer erneuert. Bis jetzt hast du es immer noch nicht gemacht, und das warme Wasser wird immer kühler.«
»Oh verdammt!« Lukas spielte Vergesslichkeit. »Warum hast du mich nicht dran erinnert?«
»Aber ich kann dich doch nicht an alles erinnern! Die Regenrinne zum Beispiel! Die muss sauber gemacht werden!
Im Herbst regnet es ohne Unterlass, dann überschwemmt die Terrasse, und die Küche läuft voll. Aber das weißt du ja selbst.«
Lukas wusste gar nichts. Die Rolle, die Magda ihm zugedacht hatte, war immer schwieriger zu spielen.
»Ich bin eben immer noch nicht erholt«, rechtfertigte er sich, »es liegt eine verdammt anstrengende Zeit hinter mir.«
»Ich weiß. Ist ja auch noch Zeit. Nur eins
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