Die Totengräberin - Roman
noch: Bitte, schaufle die Klärgrube zu! Momentan sieht es hier aus wie auf einer Baustelle, und das stört mich wirklich maßlos!«
Sie drückte ihn auf einen Stuhl, setzte sich auf seinen Schoß und küsste ihn. »Aber jetzt bleibst du erst mal hier sitzen, ruhst dich aus, sonnst dich ein bisschen, und ich mache uns die Artischocken. Was für eine Soße möchtest du dazu? Knoblauch-, Senf- oder mediterrane Soße?«
»Knoblauchsoße.«
»Im Ernst?«
»Ja, da hab ich Appetit drauf.«
»Aber da bekommst du doch Sodbrennen? Mediterrane Soße wäre besser für dich.«
»Okay. Dann mach mediterrane Soße.«
»Gut.« Magda stellte den Besen an die Hauswand und verschwand in der Küche.
Lukas hatte sich auch schon beim Frühstück auf den Geschmack und die Gewohnheiten seines Bruders einstellen müssen. Er aß jetzt nicht mehr Brötchen mit Marmelade, sondern Müsli in Milch, obwohl er das verabscheute. Und er fragte sich ernsthaft, wie das alles weitergehen sollte.
Am Samstagmorgen beim Frühstück stellte Magda mithilfe mehrerer Kochbücher ein Fünfgängemenü zusammen, notierte sich die fehlenden Zutaten und fragte Lukas, ob
er zum Einkaufen mitkommen wolle. Lukas hatte zwar keine Lust, aber willigte sofort ein. Die Gefahr, dass Magda noch kurz bei der Post vorbeifahren würde, war einfach zu groß.
Um kurz vor zehn fuhren sie zum Ipercoop nach Arezzo.
Kurz nach eins kamen sie wieder. Magda duschte kalt und kochte dann Kalbfleisch für Vitello Tonnato.
»Warum machst du einen derartigen Aufstand für diesen Typen?«, fragte Lukas und versuchte nicht unfreundlich zu klingen. »Du tust ja gerade so, als käme Seine Majestät Hochwohlgeboren höchstpersönlich!«
»Sei nicht albern. Ich will mich nur nicht blamieren. Wir können ihm nicht einfach ein paar Spaghetti vor die Nase setzen, und das war’s dann. Er sieht aus, als wäre er ein Gourmet.«
Lukas sagte nichts mehr. Er war eifersüchtig, ärgerte sich darüber, aber konnte es dennoch nicht ändern. Dieses ganze Essen begann ihm bereits jetzt, einen Tag vorher, unsagbar auf die Nerven zu gehen. Noch dazu würde er den ganzen Abend Magdas Ehemann spielen müssen, der erst verschwunden und dann wie durch ein Wunder wieder aufgetaucht war. Ihm wurde auch klar, dass das hier in Italien ja noch relativ einfach war. Mit Grausen dachte er daran, wie er sich in Deutschland verhalten sollte, wenn Magda Freunde, Bekannte und Verwandte treffen wollte, die Johannes kannten und denen man keine Komödie vorspielen konnte.
Topo ärgerte sich, dass er die Einladung zur Premiere nicht abgesagt hatte. Er saß im Theater, langweilte sich und war überhaupt nicht bei der Sache. In Gedanken war er bei der Einladung zum Essen auf La Roccia. Er freute sich so darauf,
wie er sich schon ewig nicht mehr auf einen Abend gefreut hatte. Er spürte direkt körperlich, wie die Spannung durch seinen Körper kribbelte.
Nach der Vorstellung ging er entgegen seiner Gewohnheit nicht zur Premierenfeier. Er wollte von niemandem auf das Stück und die Schauspieler angesprochen werden, es würde schon problematisch genug werden, die Kritik zu formulieren. Aber er würde aus dem Internet etwas über den Autor abschreiben und sich ansonsten kurzfassen. Außerdem hatte ihm das Bühnenbild überhaupt nicht gefallen. Darauf ließ sich wunderbar herumhacken.
In Florenz war jetzt nach dreiundzwanzig Uhr auf den Straßen so viel Betrieb wie am Samstag vor Weihnachten nachmittags um fünf. Das Taxi quälte sich durch verstopfte Straßen, und Topo war erst um Mitternacht zu Hause. Während er die Treppe zu seiner Wohnung hinaufging, musste er daran denken, was er wohl morgen um diese Zeit machen würde. Und bei diesem Gedanken musste er grinsen.
Am nächsten Tag schlief Topo bis vierzehn Uhr. Er hatte am Abend noch die vernichtende Kritik für den Radiosender in den Laptop gehackt und war dann nach ein paar Gläsern Stravecchio vor dem Fernseher eingeschlafen. Gegen fünf Uhr früh war er aufgewacht und hatte sich ins Bett geschleppt.
Bester Laune stand Topo auf, ließ sich ein Bad ein und döste in der Wanne noch eine Weile weiter. Anschließend cremte er sich sorgfältig ein und kochte sich - noch im Hausmantel - einen doppelten Espresso.
Mit dem Kaffee saß er vor der verglasten Balkontür, sah über die Dächer der Stadt und überlegte, was ihm eigentlich im Leben wirklich wichtig war. Seine Wohnung sicher
nicht. Sie war austauschbar, und es gab bessere in Florenz. Er mochte den
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