Die Totengräberin - Roman
Stefano«, sagte sie. »Wir haben uns oft darüber unterhalten, dass es furchtbar schwierig ist, hier in der Einsamkeit und in den winzigen Orten jemanden zu finden, mit dem man wirklich gern einen Abend verbringt, weil man Gespräche führen kann, die über normale Konversation hinausgehen. Und wir waren beide der Meinung, dass du so jemand bist.«
»Danke, Magda. Das macht mich richtig glücklich.«
Beide lächelten sich zu, und Lukas kam sich vollkommen überflüssig vor.
Magdas Küche war ein rustikaler Traum, sie hatte unheimlich viel Atmosphäre, ihre Praktikabilität war aber mit der einer modernen Küche nicht zu vergleichen. Es war Magdas größtes Problem, dass sie kaum Arbeitsfläche hatte und bei einem üppigen Mahl wie diesem jedes freie Fleckchen vollgestellt war. So war es ihr unmöglich, die Nachspeise vorzubereiten, bevor sie nicht wenigstens teilweise die Küche aufgeräumt hatte.
»Bitte entschuldigt mich eine Weile«, sagte sie daher, »ich muss mich mal kurz um die Küche und das Dolce kümmern, aber ich denke, ihr werdet euch gut unterhalten.«
»Aber selbstverständlich! Gar kein Problem!«, meinte Topo sofort. »Oder kann ich dir irgendwie helfen?«
»Nein, bitte nicht! Ich mache das schon. Bis gleich.« Sie verschwand im Haus. Wenn sie eines überhaupt nicht vertragen konnte, dann waren es Gäste, die ihre Teller in die Küche trugen oder demonstrativ ein Küchenhandtuch in die Hand nahmen. Außerdem erschien es ihr wichtig, dass Topo und Johannes mal ein bisschen Zeit für sich hatten. Die Spannung zwischen den beiden war ihr nicht entgangen, und sie hoffte, dass sie sich bei einem Gespräch unter vier Augen entkrampfte.
Durchs Küchenfenster sah sie, wie Johannes und Topo aufstanden und langsam über den Hof und ums Haus schlenderten. Das ist wunderbar, dachte sie, sie werden sich schon verstehen, wenn sie sich mal in Ruhe allein unterhalten.
»Du hast eine wunderschöne Frau«, sagte Topo auf Englisch, atmete tief durch und sah gedankenverloren in den Mond.
»Ich weiß«, meinte Lukas ebenfalls auf Englisch. »Ich bin mir dessen jeden Tag bewusst.«
»Sie ist eine außergewöhnliche Erscheinung: Schön, selbstbewusst, intelligent und charmant. So eine Frau trifft man nicht alle Tage. In Deutschland nicht und hier schon gar nicht.«
»Ich weiß«, wiederholte Lukas. Er hatte nicht die geringste Lust, sich Topos Schwärmereien für Magda anzuhören. Dass er sie am Tisch anhimmelte, reichte ihm voll und ganz.
»Ich denke, für eine solche Frau ist man bereit, alles zu tun. Wirklich alles. Verstehst du, was ich meine?«
»Ja«, sagte Lukas, und seine Haut begann zu jucken, so unbehaglich fühlte er sich.
Eine Weile gingen beide schweigend nebeneinander her. Dann sagte Topo völlig unvermittelt: »Gefallen dir die Fotos?«
Lukas zuckte zusammen. Nur um Zeit zu haben, über diese ungeheuerliche Frage nachzudenken, reagierte er wenig originell. »Welche Fotos?«
»Ich bin sicher, du weißt, was ich meine. Ich habe dich beobachtet, als du den ersten Umschlag bekommen hast. Der genügte eigentlich schon. Also lassen wir das Versteckspiel.«
Lukas versuchte, sich zu merken, wie sich sein Körper in diesem Moment anfühlte. Ihm wurde nicht kalt, sondern heiß, kochend heiß, und das Erstaunen darüber, dass er noch aufrecht stehen und neben Topo herlaufen konnte, überlagerte jeden anderen Gedanken. Für ein paar Sekunden war er regelrecht euphorisch und dachte, es ist unfassbar, ich kann atmen, stehen und denken, dabei ist mir gerade der Boden unter den Füßen weggezogen worden.
»Du sagst nichts?«, fragte Topo.
»Was soll ich sagen?«
»Wer ist der Tote?«
Lukas schwieg.
»Wer bist du?«
Lukas reagierte nicht.
»Nun gut.« Topo lehnte sich im Schein der letzten Laterne an eine halb verfallene Trockenmauer, und seine Schuhspitze spielte mit einem Stöckchen, das er hin und her rollte.
»Hör gut zu, Johannes, oder wie auch immer du heißen magst. Dieser Tote, von dem ich rede, ist unser Geheimnis. Davon wissen nur du und ich. Richtig?«
Lukas bemühte sich, nicht die kleinste Bewegung zu machen, die Topos Frage bestätigen könnte.
»Ich vermute mal, du bist nicht sonderlich daran interessiert, dass ich den Carabinieri mitteile, wo es eine Leiche auszubuddeln gibt, die mit großer Wahrscheinlichkeit der Mann von Magda ist. Richtig?«
Lukas rührte sich nicht.
»Ich merke schon, du verstehst mich.« Topo grinste. »Am besten du hörst gut zu und vergisst nichts von
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