Die Totengräberin - Roman
Lukas bekam augenblicklich schlechte Laune. »Ich will mit dir allein sein.«
»Ach komm, sei kein Frosch«, schnurrte Magda, »ich will ihn nicht beleidigen und glaube außerdem, dass das eine gute Idee ist und sehr interessant sein kann. So ein Angebot bekommt man nicht alle Tage. Und wir können uns ganz ungezwungen ein bisschen mit ihm unterhalten. Das
ist besser, als hier stundenlang auf der Terrasse zu sitzen und nach Gesprächsthemen zu suchen.«
Lukas zuckte wenig begeistert die Achseln. »Wenn du meinst? Ich glaube, mir geht der Typ nach’ner halben Stunde auf die Nerven.«
»Lass es uns probieren.«
Topo schwieg und beobachtete die beiden bei ihrer Unterhaltung. Er verstand kein Deutsch, er bekam nur so viel mit, dass Magda seinen Vorschlag gut fand und ihr Freund nicht. Verständlich. In dessen Augen war er ein Spielverderber, und das fand Topo schon wieder äußerst amüsant.
»Wir finden die Idee wundervoll!«, sagte Magda freundlich. »Und wenn Sie Zeit haben? Warum nicht, dann fahren wir zusammen.«
»Nehmen wir meinen Wagen«, meinte Topo und öffnete die Wagentür, »da haben wir ein bisschen mehr Platz, Sie brauchen nicht zu fahren und können ganz entspannt unsere kleine Besichtigungstour genießen!«
»Wunderbar.« Magda nahm ihre Handtasche. »Komm, Johannes, steig ein!«
Magda war normalerweise eine schlechte Beifahrerin. Sie war nicht gerne den Fahrkünsten und Entscheidungen eines anderen ausgeliefert, sie nahm ihr Schicksal am liebsten selbst in die Hand. Daher flog sie auch äußerst ungern.
Aber an diesem Morgen war es anders. Topo strahlte eine Ruhe aus, die sich sofort auf sie übertrug. Er lenkte den Wagen grundsätzlich nur mit der linken Hand, auch wenn er Serpentinen fuhr, seine rechte ruhte entspannt auf dem Schaltknüppel.
Magda wusste, dass sie, um zum Monte Oliveto zu kommen, über Asciano fahren mussten, und den Weg kannte
sie in- und auswendig. Die Tour, die Topo jedoch wählte, kannte sie nicht. Er fuhr über Berge und durch Täler, durch dichte Wälder und lichte Weinberge. Vorbei an einer mittelalterlichen Kapelle, Zypressenalleen und der Ruine einer alten Wassermühle. Die Landschaft war abwechslungsreich und wunderschön, und bis Asciano war die Straße nicht geteert.
Magda versuchte, sich die Strecke zu merken.
»Schon allein wegen dieser Fahrt hat sich der Ausflug gelohnt«, meinte sie, »das ist ein echter Geheimtipp.«
»Ich kann Ihnen die Wegpunkte aufschreiben, wenn Sie wollen, damit Sie es auch allein finden. Man braucht zehn Minuten länger, aber ich denke, das nimmt man dafür gerne in Kauf.«
Bei Asciano bog Topo auf die Asphaltstraße ab, die sich kurvenreich durch die Landschaft zog und einen herrlichen Blick auf die Crète bot. Er war mehr als zufrieden mit sich und fand genial, wie er diesen Ausflug eingefädelt hatte. Obwohl er sich eingestehen musste, dass auch ein winziges Quäntchen Glück dabei gewesen war. Auf jeden Fall saßen jetzt beide bei ihm im Auto, und er würde einen ganzen langen Tag mit ihnen verbringen. Das war weitaus mehr und besser als ein oder zwei Glas Wein auf der Terrasse. Er hatte Zeit, die beiden kennenzulernen und zu beobachten, und letztendlich war Zeit verräterischer als Alkohol. Irgendwann ließ jeder jede Vorsicht außer Acht, und man zeigte sich, wie man war.
Topo und Magda unterhielten sich, Lukas saß auf dem Rücksitz und schmollte, denn er verstand kein Wort.
Wenige Kilometer hinter Asciano stellte Topo die entscheidende Frage, die ihm schon die ganze Zeit auf den Nägeln brannte: »Wie kommt es eigentlich, Signora, dass
Sie so perfekt Italienisch sprechen und Ihr Mann … entschuldigen Sie bitte vielmals, aber … nun ja, fast gar nicht?«
Magda drehte sich um und lächelte Lukas zu. »Ach, wissen Sie, er hat sich noch nie für Sprache interessiert. Auch als wir das Haus restauriert haben, hat er organisiert, kalkuliert und geplant. Und wenn er zu einem Ergebnis gekommen war, hab ich den Italienern erklärt, was er meinte. Das ist unsere Art der Arbeitsteilung, und es funktioniert wundervoll. Johannes kann Ihnen die kompliziertesten wirtschaftlichen Zusammenhänge oder die Funktion einer hydraulischen Pumpe erklären, aber er wird Imperfekt und Imperativ immer durcheinanderbringen. Also, warum soll man ihn mit Grammatik und einer Fremdsprache quälen, wenn es auch so geht?«
Unauffällig beobachtete Topo Lukas im Rückspiegel, der aus dem Fenster sah und sich zu langweilen schien. Und Topo
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