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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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verspürt hatte, der eines
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gewesen war, der herabstieg, um die Ordnung wiederherzustellen. Sie und Simon waren losgelöst gewesen, außerhalb der Handlung, ihr Finale, nicht ihr Fortgang. Für sie, so gestand sie sich ein, war es eine Form von Überlegenheit gewesen – in dem Stück war nicht vorgesehen, dass seine Götter zu Protagonisten werden –, die ihr durch Simons Ermordung nun abhanden gekommen war, so dass sie sich unversehens zwischen den Akteuren in Cambridge wiederfand, genauso unwissend und hilflos wie irgendeine dieser winzigen, vom Wind zerzausten und vom Schicksal gebeutelten Figuren da unten.
    Sie war nun in eine Demokratie der Trauer mit Agnes gestellt,die unten vor ihrer kleinen Hütte saß, mit Hugh, der um seine Nichte geweint hatte, mit Gyltha und jedem Menschen, der eine geliebte Seele verloren und zu verlieren hatte.
    Erst als sie die vertrauten Schritte über den Wehrgang kommen hörte, merkte sie, dass sie darauf gewartet hatte. Die einzige Planke, an die sie sich in diesem Strudel klammern konnte, war das Wissen, dass der Steuereintreiber ebenso unschuldig an den Morden war wie sie selbst. Sie hätte sich gerne, furchtbar gerne bei ihm für ihren Verdacht demütig entschuldigt – wenn er nicht ganz beachtlich zu ihrer Verwirrung beigetragen hätte.
    Außer bei den ihr vertrauten Menschen gab sich Adelia alle Mühe, möglichst unerschütterlich zu wirken, und sie hatte sich das freundliche, aber distanzierte Verhalten eines Menschen angeeignet, der sich gänzlich dem Gott der Medizin verschrieben hatte. Diese Fassade hatte ihr geholfen, die Unverschämtheiten, die plumpen Vertraulichkeiten und mitunter gar eindeutig körperlichen Anmaßungen seitens ihrer Mitstudenten und ersten Patienten abzuwehren. Ja, sie sah sich selbst als der Menschheit enthoben, eine ruhige und versteckte Zuflucht, auf die man in der Stunde der Not zurückgriff, die selbst jedoch nicht angreifbar war.
    Aber vor dem Besitzer der nahenden Schritte hatte sie Trauer und Panik gezeigt, hatte um Hilfe gerufen, gefleht, sich auf ihn gestützt und war selbst in ihrem Unglück dankbar dafür gewesen, dass er bei ihr war.
    Demzufolge war das Gesicht, das Adelia nun Sir Rowley Picot zuwandte, ausdruckslos. »Wie lautet das Urteil?«
    Sie war nicht als Zeugin geladen worden, um bei der hastig angesetzten Leichenbeschau von Simons Körper eine Aussage zu machen. Sir Roland war der Ansicht gewesen, dass es nicht in ihrem Interesse oder dem der Wahrheit lag, wenn sie sichals Expertin des Todes offenbarte. »Erstens seid Ihr eine Frau, zweitens seid Ihr nicht von hier. Selbst wenn sie Euch glauben, Ihr würdet traurige Berühmtheit erlangen. Ich werde ihnen den Bluterguss auf dem Rücken zeigen und erklären, dass Master Simon Nachforschungen zu den Finanzen des Kindermörders angestellt hat und deshalb sein Opfer wurde, obgleich ich nicht glaube, dass der Leichenbeschauer oder seine Beisitzer – das sind alles Bauerntölpel – dem verworrenen Faden wirklich folgen können und mir glauben.«
    Jetzt sah sie ihm an, dass seine Vermutung sich bewahrheitet hatte: »›Tod durch Ertrinken, ein Unfall‹«, antwortete er. »Die haben mich für verrückt gehalten.«
    Er legte die Hände auf die Schießscharte und stieß einen wütenden Atemzug über die Stadt unter ihnen aus. »Das Einzige, was ich vielleicht erreicht habe, ist, ein klein wenig an ihrer Überzeugung gerüttelt zu haben, dass die Juden den Kleinen St. Peter und die anderen Kinder ermordet haben und nicht einer von ihnen.«
    Einen kurzen Augenblick lang erhob sich etwas aus dem wilden Chaos, das in Adelias Kopf tobte, zeigte grässliche Zähne und versank dann wieder, um von Trauer, Enttäuschung und Angst überdeckt zu werden.
    »Und die Bestattung?«, fragte sie.
    »Ah«, sagte er. »Kommt mit.«
    Ergeben hievte sich der Aufpasser sogleich auf seinen spindeldürren Beinen hoch und trottete hinter ihm her. Adelia folgte langsamer.
    Im großen Hof wurde gebaut. Das Geplapper zahlloser Schreiber wurde von einem unaufhörlichen, ohrenbetäubenden Gehämmer auf Holz übertönt. In einer Ecke wurde ein Gerüst für die drei Galgen errichtet, die während der Assise benötigt werden würden, wenn die wandernden Richter die Kerker vonCambridgeshire leerten und über das Schicksal der Häftlinge zu Gericht saßen. Ein langer Tisch und eine Bank wurden nahe des Burgtors auf einem Podest aufgestellt, das fast so hoch war, wie die Schlingen hängen würden, um die

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