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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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die waren in seinen Händen geblieben, die sich im Todeskrampf schlossen.
    »Seht nach, ob er Prellungen auf dem Rücken hat«, sagte sie.
    »Aber legt ihn nicht aufs Gesicht. Das ist gegen das Gesetz.« Diesmal hörte sie, wie er mit Rabbi Gotsce debattierte, beide Stimmen klangen scharf. Der alte Benjamin ließ sich nicht beirren.
»Auf grünen Auen lagert er mich, er führt mich zu stillen Wassern

    Sir Rowley setzte sich durch. Er kam zu Adelia zurück. »Er hat etliche Blutergüsse, von hier bis hier«, sagte er, wobei er seine Hand erst über eine Schulter legte, dann über die andere, um zu zeigen, dass sich quer über den oberen Rücken eine blutunterlaufene Linie erstreckte. »Ist er geschlagen worden?«
    »Nein. Das kommt vor. Beim verzweifelten Versuch, an die Oberfläche zu kommen, reißen Muskeln in Schultern und Hals. Er ist ertrunken, Picot. Mehr kann ich Euch nicht sagen, Simon ist ertrunken.«
    Rowley sagte: »Ein Bluterguss ist besonders ausgeprägt. Hier.« Diesmal drehte er den gekrümmten Arm auf den Rücken, wandte sich um, damit sie es sehen konnte, und wackelte mit den Fingern. Er zeigte auf eine Stelle zwischen den unteren Enden der Schulterblätter. »Was könnte den verursacht haben?«
    Als er sah, dass sie die Stirn runzelte, spuckte er vor seinen Füßen auf eine Stufe, ging in die Knie und malte einen kleinen, nassen Kreis auf den Stein. »So sieht der Fleck aus, rund. Ausgeprägt, wie gesagt. Woher kommt der?«
    »Ich weiß es nicht.« Wut stieg in ihr hoch. Mit ihren kleinlichen Gesetzen, mit ihrer Furcht vor der angeblichen Unreinheit der Frauen, mit ihrem
Unsinn
errichteten sie eine Schranke zwischen Arzt und Patient. Simon rief nach ihr, und sie wollten nicht, dass sie ihn hörte. »Entschuldigt«, sagte sie.
    Sie ging die Treppe hoch und marschierte ins Zimmer. Der Körper lag auf der Seite. Gleich darauf marschierte sie wieder hinaus.
    »Er wurde ermordet«, sagte sie zu Rowley.
    »Eine Stakstange?«, fragte er.
    »Vermutlich.«
    »Damit haben sie ihn unter Wasser gedrückt?«
    »Ja«, sagte sie.

Kapitel Elf
    D ie Burgmauer war ein Schutzwall, von wo aus Bogenschützen einen Angriff auf die Burg zurückschlagen konnten – und während des Krieges zwischen Stephen und Matilda auch zurückgeschlagen hatten. Heute war hier alles still und leer, bis auf einen Wachtposten, der auf dem Wehrgang seine Runde machte, und die in einen Umhang gehüllte Frau mit Hund, die an einer der Schießscharten stand und seinen Gruß unerwidert ließ.
    Ein schöner Nachmittag. Der Westwind hatte den Regen weiter nach Osten getrieben; er blies jetzt Schäfchenwolken über einen frisch gewaschenen, blauen Himmel, und weil er die Segeltuchdächer der Marktstände flattern, die Weidenzweige weiter hinten anmutig tanzen ließ und immer wieder glitzernde kleine Wellen auf den Fluss malte, wirkte die hübsche, geschäftige Szene, auf die Adelia hinabblickte, noch hübscher und geschäftiger.
    Sie sah nichts davon.
    Wie hast du es getan, fragte sie Simons Mörder. Was hast du gesagt, wie hast du es geschafft, ihn ins Wasser zu stoßen? Es war gewiss nicht viel Kraft erforderlich, ihm die Stange zwischen die Schultern zu drücken und ihn unter Wasser zu halten. Du wirst dein ganzes Gewicht daraufgelegt haben, damit er sich nicht befreien konnte.
    Eine Minute, zwei, in denen er wie ein Käfer über den Grund scharrte, bis dieses so vielschichtige Leben voller Güte erloschenwar. Gott im Himmel, wie muss das für ihn gewesen sein? Sie sah wilde Wolken aus Schwemmsand in dem Flussgras, das ihn umgab und festhielt, beobachtete die Luftblasen des letzten Atemzugs auf ihrem Weg nach oben. Sie empfand die Panik nach und fing an zu keuchen … als atmete sie Wasser ein und nicht die saubere Luft von Cambridge.
    Hör auf damit. Das nützt ihm nichts.
    Was denn dann?
    Zweifellos, seinen Mörder, der auch die Kinder getötet hatte, vor Gericht zu bringen, aber wie viel schwieriger würde das ohne ihn werden.
»Genau das müssen wir vielleicht, ehe das alles hier vorbei ist, Doktor. So denken, wie er denkt

    Und sie hatte geantwortet:
»Dann tut Ihr das. Ihr seid doch der Scharfsinnige unter uns

    Jetzt musste sie versuchen, sich in jemanden hineinzuversetzen, für den der Tod ein Mittel war, und zwar ein lustvolles, wenn es um Kinder ging.
    Doch im Augenblick konnte sie nur die Schwächung sehen, die sie empfand. Sie war kleiner geworden. Sie wusste jetzt, dass der Zorn, den sie über die Folter der Kinder

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