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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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sich mit griechischer und römischer Philosophie auskannten, die sich mit Mathematik, Medizin und Astronomie befassten, den Geschenken der semitischen Völker an den Westen, fielen durch das Schwert von Männern, die weder lesen noch schreiben konnten und auch keinen Grund sahen, es zu erlernen.
    »Amalric versuchte, sie in Schach zu halten«, sagte Rowley, »aber sie waren allgegenwärtig, wie die Geier. Sie schlitzten den Gefangenen die Bäuche auf, weil sie glaubten, dass Moslems ihre Juwelen verschluckten, um sie zu verstecken. Frauen, Kinder, es war ihnen völlig egal. Manche von ihnen traten gar nicht dem Heer bei, sie zogen auf der Suche nach Beute über die Handelsstraßen. Sie brandschatzten und blendeten, und wenn sie erwischt wurden, sagten sie, sie täten es für ihre unsterblichen Seelen. Wahrscheinlich tun sie’s immer noch.«
    Er schwieg einen Augenblick. »Unser Mörder war einer von ihnen«, sagte er.
    Adelia wandte rasch den Kopf und sah zu ihm hoch. »Ihr kennt ihn? Er war dort?«
    »Ich habe ihn nie gesehen. Aber er war dort, ja.«
    Das Rotkehlchen war zurückgekommen. Es landete auf einem Lavendelbusch und betrachtete kurz die beiden schweigenden Menschen in seinem Territorium, ehe es wieder losflog, um eine Heckenbraunelle aus dem Garten zu jagen.
    Rowley sagte: »Wisst Ihr, was unsere großartigen Kreuzzüge bewirken?«
    Adelia schüttelte den Kopf. Ernüchterung gehörte nicht in sein Gesicht, aber jetzt war sie da und ließ ihn älter aussehen, und Adelia dachte, dass diese Bitternis vielleicht schon die ganze Zeit unter seiner Fröhlichkeit gelegen hatte wie ein steinernes Fundament.
    »Ich will Euch sagen, was sie bewirken«, sagte er. »Sie wecken einen solchen Hass bei den Arabern, die sich früher gegenseitig hassten, dass sie die gewaltigste Kraft gegen die Christenheit vereinen, die die Welt je gesehen hat. Sie wird Islam genannt.«
    Er wandte sich von ihr ab und ging ins Haus. Sie sah ihm nach. Er wirkte nicht mehr dick – wie hatte sie das je denken können? Wuchtig.
    Sie hörte ihn rufen, dass man ihm Ale bringen solle.
    Als er zurückkam, hielt er in jeder Hand einen Krug. Er reichte ihr einen. »Beichten macht durstig«, sagte er.
    Tat er das? Sie nahm den Krug und nippte daran, unfähig, den Blick von ihm abzuwenden, und sie wusste mit beängstigender Klarheit, dass sie ihm jede, aber auch jede Sünde verzeihen würde, die er ihr beichtete.
    Er blieb stehen und blickte zu ihr hinab. »Vier Jahre lang trug ich das kleine Schwert von William Plantagenet auf dem Rücken«, sagte er. »Unter dem Kettenhemd, damit es im Kampf nicht beschädigt werden konnte. Ich nahm es mit in die Schlacht und wieder zurück. Es hat sich in meine Haut eingegraben, sotief, dass ich jetzt ein Kreuzzeichen trage, wie der Esel, der Jesus bei seinem Einzug nach Jerusalem trug. Die einzige Narbe, auf die ich stolz bin.« Er blinzelte. »Wollt Ihr sie sehen?«
    Sie lächelte ihn an. »Vielleicht nicht jetzt.«
    Du bist eine Hure, schalt sie sich, die sich von der Erzählung eines Soldaten den Kopf verdrehen lässt. Outremer, Tapferkeit, Kreuzzug, eine trügerische Romanze. Reiß dich zusammen, Frau.
    »Dann ein anderes Mal«, sagte er. Er trank gierig sein Ale und setzte sich. »Wo war ich stehen geblieben? Ach ja. Wir waren auf dem Weg nach Alexandria. Wir mussten Nur ad-Din daran hindern, in den Häfen entlang der ägyptischen Küste seine Schiffe zu bauen. Das heißt nicht, dass die Sarazenen den Krieg bereits aufs Meer getragen haben – ein arabisches Sprichwort besagt, dass es besser ist, die Blähungen von Kamelen zu hören als die Gebete von Fischen –, aber eines Tages werden sie es tun. Also erkämpften wir uns unseren Weg durch den Sinai.« Sand, Hitze, der Wind, den die Moslems
Khamsin
nennen und der einem die Augen versengt. Überraschungsangriffe von berittenen skythischen Bogenschützen – »die waren wie verdammte Zentauren, beschossen uns immer wieder, Pfeilhagel so dicht wie Heuschreckenschwärme, so dass Männer und Pferde hinterher wie Igel aussahen«. Durst.
    Und mittendrin wurde Guiscard krank, sehr krank.
    »Er war in seinem Leben so gut wie nie krank gewesen, und auf einmal jagte ihm seine eigene Sterblichkeit Angst ein – er wollte nicht in einem fremden Land sterben. >Bringt mich nach Hause, Rowley<, sagte er. >Versprecht, dass Ihr mich nach Anjou bringt.< Und ich versprach es ihm.«
    Für seinen kranken Herrn war Rowley vor dem König von Jerusalem auf die Knie gefallen und

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