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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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erwischt?«
    »Das werden sie.« Gebe Gott, dass sie Recht behielt.
    »Der hat mir keine … Angst gemacht«, sagte Ulf und begann zu schlottern. »Ich hab mich gegen das Schwein gewehrt, hab geschrien … und nich aufgehört.«
    »Ich weiß«, sagte Adelia. »Die mussten dich mit Mohnsaft beruhigen. Du warst zu tapfer für sie.« Sie legte ihm einen Arm um die Schultern, als ihm die Tränen kamen. »Jetzt musst du nicht mehr tapfer sein.«
    Sie warteten.
    Ein Hauch von Grau am östlichen Himmel verkündete, dass die Nacht doch noch ein Ende haben würde. Auf der anderen Seite der Mulde lag Schwester Veronica auf den Knien, und ihre geflüsterten Gebete waren wie das Rascheln von Blättern. Hugh hatte einen Fuß auf die Leiter im Schacht gestellt, um sofort jede Bewegung darauf zu spüren. Eine Hand lag auf dem Jagdmesser in seinem Gürtel. Er beruhigte die Hunde, murmelte ihre Namen und versicherte ihnen, dass sie wackere Burschen waren.
    Er sah zu Adelia hinüber. »Sind den ganzen Weg der Witterung von Eurem alten Köter gefolgt, meine Jungs«, sagte er.
    Die Hunde blickten auf, als wüssten sie, dass von ihnen die Rede war. »Sir Rowley, der war vielleicht aus dem Häuschen. ›Sie ist dem Jungen nach‹, hat er gesagt, ›Und wird höchstwahrscheinlich selbst dabei umgebracht.‹ Hat sich ein paar schöne Schimpfnamen für Euch ausgedacht in seinem Zorn. Aber ich hab ihm was gesagt. ›Das ist ein prächtiger alter Stinker,der Köter von ihr. Den wittern meine Jungs zehn Meilen gegen den Wind‹, hab ich ihm gesagt. War das der alte Knabe da unten?«
    Adelia nahm sich zusammen. »Ja«, sagte sie.
    »Tut mir wirklich leid. Aber er hat seine Sache gut gemacht.« Die Stimme des Jägers war beherrscht, dumpf. Irgendwo in den Gängen unter ihren Füßen lief die Kreatur herum, die seine Nichte abgeschlachtet hatte.
    Ein Rascheln ertönte, und Hugh zog augenblicklich das Messer aus dem Gürtel, doch es war nur eine Waldohreule, die zu ihrem letzten Beuteflug der Nacht abhob. Ein schläfriges Zwitschern verriet, dass die ersten kleinen Vögel erwachten. Jetzt war Rowley selbst zu erkennen und nicht bloß seine Laterne, eine große Gestalt, die emsig mit dem Schwert im Boden herumstocherte. Doch jeder Busch auf der buckligen, unebenen Kuppe warf im Mondlicht einen Schatten, der einer beweglichen Dunkelheit bei ihrer verstohlenen Flucht Deckung bieten mochte.
    Der Himmel im Osten verwandelte sich spektakulär in ein gefährliches, drohendes Rot, durchzogen von zerfetzten Streifen aus Schwarz.
    »Morgenrot, Schlechtwetterbot«, sagte Hugh, »des Teufels Morgendämmerung.«
    Adelia betrachtete es matt. Ulf neben ihr wirkte ähnlich teilnahmslos.
    Er ist beschädigt, dachte Adelia, ebenso wie ich. Wir waren an Orten jenseits aller Vorstellungskraft und sind von ihnen gezeichnet. Vielleicht kann ich das verkraften, aber kann er es? Denn er ist besonders perfide verraten worden.
    Und mit diesem Gedanken spürte sie neue Energie. Unter Schmerzen stand sie auf und ging um die Mulde herum zu der Stelle, wo Veronica kniete, die gefalteten Hände so hoch erhoben,dass das Morgenlicht darauffiel, den anmutigen Kopf im Gebet gesenkt – so wie Adelia sie am Grab des Kleinen St. Peter gesehen hatte.
    »Gibt es einen anderen Ausgang?«, fragte Adelia.
    Die Nonne bewegte sich nicht. Ihre Lippen verharrten einen Moment, ehe sie das geflüsterte Paternoster wieder aufnahmen.
    Adelia versetzte ihr einen Tritt. »Gibt es einen anderen Ausgang?«
    Hugh räusperte sich schockiert.
    Ulfs Blick war Adelia gefolgt und huschte jetzt zu der Nonne. Seine Knabenstimme hallte über den Wandlebury Ring.
»Sie
war es.« Er zeigte auf Veronica. »Sie ist ein böses,
böses
Weib.«
    Hugh flüsterte entsetzt. »Still, Junge.«
    Tränen rannen über Ulfs hässliches kleines Gesicht, aber es lag wieder Begreifen darin und Entschlossenheit und erbitterter Zorn. »Die war’s. Sie hat mir was aufs Gesicht gedrückt, hat mich mitgenommen.
Die steckt mit dem unter einer Decke.«
»Ich weiß«, sagte Adelia. »Sie hat mich in den Schacht geworfen.«
    Die Augen der Nonne starrten flehend zu ihr hoch. »Der Teufel war zu stark für mich«, sagte sie. »Er hat mich gefoltert – Ihr habt ihn gesehen. Ich wollte das nicht, wollte es nie.« Ihre Augen glitten ab und glühten rot, als sie die Morgendämmerung in Adelias Rücken reflektierten.
    Hugh und auch Ulf hatten sich plötzlich nach Osten gewandt. Adelia wirbelte herum. Der Himmel schien in einem wüsten

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