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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Vorratskammer.
    Die kreisrunden Wände wurden durch das flackernde Fackellicht rot gefärbt. Die Zeichnungen darauf wanden sich. Adelia, die es nicht wagte, die Nonne aus den Augen zu lassen, hätte sie sich ohnehin nicht angesehen. In dieser Perversion eines Mutterschoßes hatten die Embryos nicht auf ihre Geburt gewartet, sondern auf den Tod.
    Veronica sagte: »Wer aber Ärgernis gibt einem dieser Kleinen, dem wäre besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde.«
    »Ja, Schwester«, sagte Adelia. »Das wäre es.« Sie kroch vor und nahm der Nonne das Messer aus der Hand.
    Gemeinsam zerrten sie Ulf durch den niedrigen Gang. Als sie herauskamen, sahen sie Hugh den Jäger, der sich fassungslosumsah, eine Laterne in der Hand. Rowley kam aus dem anderen Tunnel gelaufen. Er fluchte und tobte. »Er ist mir entwischt. Da unten gibt es Dutzende von diesen verdammten Gängen, und die verfluchte Fackel ist ausgegangen. Der Hundsfott kennt sich hier aus, ich nicht.« Er fuhr zu Adelia herum, als wäre er wütend auf sie – er
war
wütend auf sie. »Gibt es hier irgendwo noch einen Schacht?« Dann fügte er nachträglich hinzu: »Seid ihr Frauen verletzt? Wie geht’s dem Jungen?«
    Er bugsierte sie die Leiter hoch, klemmte sich Ulf unter den Arm.
    Für Adelia war der Aufstieg schier endlos, jede Sprosse ein Sieg, den sie gegen ihre Schmerzen und das Schwächegefühl errang, und sie wäre wohl wieder nach unten gestürzt, wenn Hugh sie nicht mit einer Hand gestützt hätte. Die Stichwunde am Arm brannte, und sie fürchtete schon, dass das Messer vergiftet gewesen sein könnte. Wie lächerlich, jetzt zu sterben. Tu Weinbrand drauf, dachte sie immerzu, oder Torfmoos. Du wirst doch jetzt nicht sterben, wo wir gewonnen haben.
    Und als ihr Kopf über den Schachtrand ragte und sie frische Luft spürte … wir
haben
gewonnen. Simon, Simon, wir haben gewonnen.
    Sie hielt sich an der obersten Sprosse fest und blickte zu Rowley hinab. »Jetzt werden sie erfahren, dass die Juden es nicht getan haben.«
    »Das werden sie«, sagte er. »Kletter weiter.« Veronica klammerte sich an ihn, weinte und stammelte unzusammenhängendes Zeug. Als Adelia endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, wurde sie sogleich von Hunden beschnuppert, die vor Freude über die erfolgreiche Fährtensuche wie verrückt mit den Schwänzen wackelten. Hugh rief ihnen etwas zu, und sie wichen zurück. Als Rowley auftauchte, sagte Adelia: »Sag du es ihnen. Sag ihnen, dass die Juden es nicht getan haben.«
    Zwei Pferde grasten in der Nähe.
    Hugh sagte: »Ist unsere Mary da gestorben? Da unten? Wer hat ihr das angetan?«
    Sie sagte es ihm.
    Er blieb einen Moment lang ganz still stehen, und die Laterne, die ihn von unten beschien, verzerrte sein Gesicht mit schrecklichen Schatten.
    Rowley, der vor Frustration und Ratlosigkeit nicht aus noch ein wusste, schob Ulf in Adelias Arme. Er brauchte Männer, um die Gänge unter der Erde zu durchsuchen, aber die beiden Frauen waren nicht in der Verfassung, Unterstützung zu holen, und er wagte es nicht, selbst zu gehen oder Hugh zu schicken.
    »Jemand muss diesen Schacht bewachen. Er steckt irgendwo unter diesem verdammten Hügel, und früher oder später wird er rausgeflitzt kommen wie ein verdammtes Karnickel, aber vielleicht gibt es irgendwo hier noch einen Ausgang.« Er schnappte sich Hughs Laterne und begann, die Hügelkuppe abzusuchen, obwohl er wusste, obwohl alle wussten, dass es ein hoffnungsloses Unterfangen war.
    Adelia legte Ulf auf das Gras oberhalb der Senke, zog ihren Mantel aus und schob ihn dem Jungen unter den Kopf. Dann setzte sie sich neben ihn und atmete die Gerüche der Nacht ein – wie konnte es nur noch immer Nacht sein? Sie roch Weißdorn und Wacholder. Der Duft von Kalmus rief ihr in Erinnerung, wie verdreckt sie war. Schweiß klebte an ihr und Blut und Urin, vermutlich ihr eigener, und ein Gestank, der ihr wohl nie wieder ganz aus der Nase verschwinden würde, selbst wenn sie den Rest ihres Lebens in einem Bad verbrachte: der von Rakshasas Körper.
    Sie fühlte sich ausgelaugt, als wäre sie leer und hohl, nur noch eine zitternde Hülle aus abgestreifter Haut.
    Neben ihr fuhr Ulf mit einem Ruck hoch, sog gierig die frische Luft ein, die Fäuste geballt. Er blickte sich um, sah die Landschaft, den Himmel, Hugh, die Hunde, Adelia. Er hatte Mühe zu sprechen. »Wo … bin ich? Bin ich raus?«
    »Raus und in Sicherheit«, beruhigte sie ihn.
    »Haben die … ihn

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