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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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gehört und war durch den verdammten Fluss zu ihm gewatet. Der Jäger hatte sofort vorgeschlagen, Adelias Spur mit Hilfe von Aufpassers Geruch zu folgen.
    »Hugh hat gesagt, Prior Geoffrey hätte dir den verdammten Hund genau aus diesem Grund aufgehalst, weil er um deine Sicherheit in einer fremden Stadt besorgt war und wusste, dass kein anderer Köter einen so unangenehmen Geruch verströmt. Ich hab mich ja immer gefragt, wieso du die Töle überallhin mitgenommen hast, aber zumindest war sie so schlau, eine Spur zu hinterlassen, was man von dir nicht behaupten kann.«
    Er war fuchsteufelswild, der Gute. Adelia schaute zu dem Steuereintreiber hinunter und atmete den Zauber dieses Mannes ein.
    Er war zum Haus des alten Benjamin zurückgerannt und in Adelias Zimmer gestürmt, erzählte er. Hatte sich die Matte geschnappt, auf der Aufpasser schlief, war wieder nach unten gelaufen und hatte sie Hughs Hunden unter die Nase gehalten. Die Pferde hatte er ein paar zufällig vorbeikommenden, arglosen, protestierenden Reitern regelrecht unter dem Hintern weggezogen.
    Im Galopp über den Treidelpfad … Immer der Witterung nach die Cam hinunter, dann die Granta. Auf dem Weg querfeldein hätten sie sie fast verloren … »Ganz bestimmt, wenn dein Hund nicht zum Himmel gestunken hätte. Und ich hätte Jahremeines Lebens gleich mit eingebüßt, du verrückte Harpyie. Weißt du, was ich durchgemacht habe?«
    Ulf lachte inzwischen lauthals. Adelia dankte dem allmächtigen Gott atemlos für einen solchen Mann. »Ich liebe dich wirklich, Rowley Picot«, brachte sie heraus.
    »Darum geht es jetzt nicht«, sagte er. »Und es ist nicht
lustig

    Sie schlief allmählich ein, und nur der Druck von Ulfs Händen auf ihren Schultern hielt sie noch im Sattel – er durfte die Arme nicht um ihren Bauch legen, weil das für sie zu schmerzhaft gewesen wäre.
    Später sollte sie sich erinnern, dass sie durch das große Tor der Abtei Barnwell kamen und sie an das letzte Mal denken musste, als sie und Simon und Mansur auf einem Händlerwagen dort hindurchgefahren waren, arglos wie unschuldige Kinder, nicht ahnend, was ihnen bevorstand.
Jetzt werden sie es erfahren, Simon. Alle werden es erfahren
.
    Danach fiel sie in eine lange Bewusstlosigkeit, in der sie nur noch undeutlich Rowley wahrnahm, der wie ein Trommelwirbel Erklärungen und Befehle herunterrasselte, und die Stimme von Prior Geoffrey, der entsetzt gleichfalls Anweisungen erteilte. Sie vergaßen das Wichtigste, und Adelia wachte lange genug auf, um es auszusprechen. »Ich will ein Bad.« Dann schlief sie wieder ein.

    »… und im Namen Gottes, bleib
schön
hier«, befahl Rowley ihr. Eine Tür knallte.
    Sie und Ulf waren allein in einem Bett in einem Zimmer, und sie blickte nach oben auf die Holzbalken einer Decke, die sie schon einmal gesehen hatte. Kerzen – Kerzen? War es denn nicht Tag? Ja, aber die Fensterläden waren geschlossen, und Regen prasselte dagegen.
    »Wo sind wir?«
    »Im Gästehaus des Priors«, sagte Ulf.
    »Was ist denn los?«
    »Weiß nicht.«
    Er saß neben ihr, die Knie angezogen, und starrte ins Leere. Was sieht er wohl? Adelia legte ihren unverletzten Arm um ihn und zog ihn an sich.
    Wir sind Gefährten, dachte sie, so wie das kein anderer für uns sein kann. Sie hatten beide ein Grauen überstanden, das niemand sonst überlebt hatte. Nur sie wussten, wie groß die Entfernung war, die sie zurückgelegt hatten, und wie lange sie dafür gebraucht hatten und, ja, wie viel noch vor ihnen lag. Das Durchleben der allertiefsten Finsternis hatte ihnen Dinge bewusst gemacht, nicht zuletzt auch über sich selbst, die sie nie hätten erfahren sollen.
    »Erzähl’s mir«, sagte sie.
    »Da gibt’s nich viel zu erzählen. Sie kommt zu mir gestakt, wo ich am Angeln bin, und sagt:
›Ach Ulf, ich glaub, mein Kahn ist leck.‹
Süß wie Honig. Und dann hab ich auch schon so Zeug auf dem Gesicht und weg bin ich. Bin dann in dem Loch wieder aufgewacht.«
    Er warf den Kopf in den Nacken, und ein fassungsloser Schrei, der von der zertrümmerten Unschuld aller Zeiten kündete, gellte durch den Raum.
»Warum?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Verzweifelt wandte sich der kleine Junge ihr zu. »Sie war eine Lilie. Und er war Kreuzritter.«
    »Sie waren Irre. Man sah es ihnen nicht an, aber sie waren Irre, die sich gegenseitig gesucht und gefunden haben. Ulf, es gibt mehr Menschen wie wir als Menschen wie sie. Unendlich viel mehr. Halt dich daran fest.« Sie versuchte selbst, sich daran

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