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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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legen, vermehrten sich mit jedem Vorwurf, den sie gegen Veronica erhoben hatte.
    »Simon aus Neapel … ertrunken, während er im Besitz der Schuldnerlisten war … schon wieder der Fluss … ein Jude, natürlich, tja, was will man anderes erwarten …« Henry schüttelte den Kopf über den unachtsamen Juden und las weiter.
    »Der Verdacht der fremdländischen Frau … Wandlebury Hill … behauptet, sie sei in einen Schacht geworfen worden … sah nicht, von wem … ein Kampf … fremde Frau und Nonne … beide verletzt … Kind gerettet … einheimischer Ritter verantwortlich …«
    Er blickte hoch, dann auf den Berg Binsen, dann auf die Richter.
    Der Bischof von Norwich räusperte sich. »Wie Ihr seht, Mylord, sind alle Anschuldigungen gegen Schwester Veronica haltlos. Niemand kann sie belasten, weil …«
    »Bis auf den Jungen natürlich«, fiel Henry ihm ins Wort, »aber ihm können wir natürlich vor dem Gesetz kein Gehör schenken, oder? Nein, völlig richtig … alles unbewiesen.«
    Erneut blickte er auf die Binsen. »Verdammt viel, was da unbewiesen ist, zugegeben, aber …« Der König blies die Wangen auf, pustete einmal kräftig, und die Binsen flogen auseinander. »Wie wollt Ihr also mit dieser verleumderischen Lady verfahren, wie heißt sie? Adele? Eure Handschrift ist erbärmlich, Hubert.«
    »Ich bitte um Vergebung, Mylord. Sie heißt Adelia.«
    Der Archidiakon wurde unruhig. »Ihre üble Nachrede gegen eine Nonne ist unverzeihlich; das darf nicht ungesühnt bleiben.«
    »Unter gar keinen Umständen«, pflichtete Henry ihm bei.
    »Sollen wir sie aufhängen, was meint Ihr?«
    Der Archidiakon ließ sich nicht beirren. »Die Frau ist eine Fremde, sie ist von irgendwoher mit einem Juden und einem Sarazenen hier aufgetaucht. Soll ihr erlaubt werden, die Heilige Mutter Kirche zu verunglimpfen? Mit welchem Recht? Wer hat sie geschickt und warum? Um Zwietracht zu säen? Ich sage, der Teufel hat sie gesandt.«
    »Ich war es, ehrlich gesagt«, entgegnete der König.
    Der Raum wurde so still, als hätte ihn eine Schneelawine gedämpft. Durch die Tür hinter den Richtern drang das Geräusch von schlurfenden, platschenden Füßen, als die Mönche von Barnwell vom Kloster zur Kirche tappten.
    Henry sah Adelia zum ersten Mal an und bleckte seine gefährlichen kleinen Zähne zu einem Grinsen. »Das wusstet Ihr nicht, was?«
    Er wandte sich den Richtern zu, die noch immer standen, da sie nicht aufgefordert worden waren, wieder Platz zu nehmen. »Ihr müsst wissen, Mylords, in Cambridge verschwanden Kinder und mit ihnen meine Steuereinkünfte. Juden im Turm. Aufruhr in den Straßen. Wie ich zu Aaron aus Lincoln sagte – Ihr kennt ihn, Bischof, er hat Euch das Geld für Eure Kathedralegeliehen. Aaron, sagte ich, in Cambridge muss etwas geschehen. Falls die Juden rituell Kinder abschlachten, müssen wir sie aufhängen. Falls nicht, muss ein anderer hängen. Da fällt mir übrigens ein …« Er hob die Stimme. »Kommt herein, Rabbi, mir wurde gesagt, das hier ist kein Gerichtsverfahren.«
    Die Tür zur Küche öffnete sich, und Rabbi Gotsce trat vorsichtig ein. Die Anzahl seiner Verbeugungen verriet, dass er nervös war.
    Der König nahm ihn nicht weiter zur Kenntnis. »Wie dem auch sei, Aaron wollte darüber nachdenken, und nachdem er dar über nachgedacht hatte, kam er wieder zu mir. Er sagte, wir bräuchten einen Mann namens Simon aus Neapel – leider schon wieder ein Jude, Mylords, aber jemand, der bekanntermaßen erfolgreich Nachforschungen anstellen konnte. Aaron schlug außerdem vor, Simon aufzutragen, er möge einen Meister in der Kunst des Todes mitbringen.« Jetzt bedachte Henry die Richter mit einem Lächeln. »Vermutlich fragt Ihr Euch jetzt: Was ist ein Meister in der Kunst des Todes? Das hab ich mich jedenfalls gefragt. Ein Totenbeschwörer? Ein besonders gewiefter Folterer? Nein, es gibt anscheinend gut ausgebildete Männer, die Leichname lesen können und die in diesem Fall anhand der Todesart der Kinder von Cambridge möglicherweise Rückschlüsse auf den Täter ziehen könnten. Ist noch was von dieser ausgezeichneten Suppe da?«
    Der Übergang war so unvermittelt, dass es einen Augenblick dauerte, bis Prior Geoffrey reagierte und wie ein Schlafwandler zu der Klappe hinüberging. Wie selbstverständlich reichte ihm eine Frauenhand eine dampfende Schale hindurch. Er nahm sie, ging zurück, beugte das Knie und bot sie dem König dar.
    Der König hatte in der Zwischenzeit mit Priorin Joan geplaudert. »Ich

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