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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Hand vom Doktor, die für ihn die Arzneien anrührt oder so.
    Die erzählen dir in gutem Englisch, was sie für Wehwehchen haben. Du sagst es dem Doktor in dem Kauderwelsch, das ihr sprecht, der kauderwelscht irgendwas zurück, und du sagst ihnen, was sie machen sollen.«
    Ein bisschen grob formuliert, aber genial einfach. Falls Behandlungen erforderlich waren, konnten sie so tun, als gäbe Doktor Mansur seiner Helferin Anweisungen. Adelia sagte: »Das ist ziemlich gewitzt.«
    Gyltha zuckte die Achseln. »Könnte uns aus dem Schlamassel retten.«
    Als Mansur von der Situation in Kenntnis gesetzt wurde, reagierte er gelassen wie immer. Gyltha hingegen war unzufrieden mit seinem Äußeren. »Doktor Braose drüben am Markt, der hat einen Umhang mit Sternen drauf und einen Schädel auf dem Tisch und so ein Ding, um die Sterne lesen zu können.«
    Adelia erstarrte, wie immer, wenn Medizin mit Magie in Verbindung gebracht wurde. »Unser Arzt ist Mediziner, kein Zauberer.« Cambridge würde sich mit einer Kaffiyeh, die ein dunkles Adlergesicht umrahmte, und einer Stimme in gehobener Tonlage begnügen müssen. Mehr Magie kam nicht in Frage.
    Ulf wurde mit einer Einkaufsliste zum Apotheker geschickt.
    Der Raum, der einmal die Pfandleihe gewesen war, wurde zum Wartezimmer umfunktioniert.
    Die ganz Reichen hatten eigene Ärzte, die ganz Armen behandelten sich selbst. Diejenigen, die in die Jesus Lane kamen, waren weder das eine noch das andere: Handwerker, Tagelöhner, die, wenn es hart auf hart ging, die eine oder andere Münze entbehren konnten oder notfalls mit einem Huhn bezahlten.
    Bei den meisten ging es hart auf hart: Die alten Hausrezepte hatten nicht gewirkt, ebenso wenig die Geld- und Geflügelspenden an das Nonnenkloster St. Radegund. Wie Gyltha gesagt hatte: Bei ihnen war der Kleine St. Peter mit seinem Latein am Ende.
    »Wie ist das passiert?«, fragte Adelia die Frau eines Schmieds, während sie ihr behutsam die gelb verkrusteten und verklebten Augen betupfte. Und fügte nachträglich hinzu: »Der Doktor will das wissen.«
    Offenbar hatte die Priorin von St. Radegund die Frau aufgefordert, einen Lappen in die Flüssigkeiten zu tunken, die aus dem halbverwesten Fleisch austraten, das der Körper des Kleinen St.
    Peter gewesen war, als man ihn aus dem Fluss zog, und sich damit über die Augen zu wischen, um eine beginnende Erblindung zu heilen.
    »Diese Priorin sollte man erschlagen«, sagte Adelia auf Arabisch zu Mansur.
    Die Frau des Schmieds verstand zwar nicht die Worte, aber deren Bedeutung und sagte beschwichtigend: »War nich dieSchuld vom Kleinen St. Peter. Die Priorin hat gesagt, ich hätte nich genug gebetet.«
    »Ich
werde
sie erschlagen«, sagte Adelia. Gegen die Blindheit der Frau konnte sie nichts tun, aber sie gab ihr einen verdünnten, abgeseihten Extrakt aus Odermennig mit, der sie, wenn sie die Augen regelmäßig damit spülte, von der Entzündung befreien müsste.

    Der Rest des Morgens trug nicht dazu bei, Adelias Zorn zu lindern. Gebrochene Knochen, die zu lange unbehandelt geblieben und schief gerichtet worden waren. Einem Säugling, tot in den Armen der Mutter, wären mit einem Sud aus Weidenrinde die Koliken erspart geblieben. Drei gequetschte Zehen waren brandig geworden – ein in Opium getränktes Tuch, dem jungen Mann eine halbe Minute unter die Nase gehalten, und ein geschickter Einsatz des Messers, retteten den Fuß, aber die Amputation der Zehen wäre nicht nötig gewesen, wenn der Patient keine Zeit damit verloren hätte, sich hilfesuchend an den Kleinen St. Peter zu wenden.
    Als der Amputierte genäht und verbunden und nach einer kurzen Ruhezeit nach Hause gebracht worden war, als das Wartezimmer sich geleert hatte, war Adelia völlig außer sich.
    »Zum Teufel mit St. Radegund und all seinen Knochen. Hast du den Säugling gesehen? Hast du ihn gesehen?« In ihrem Zorn ging sie auf Mansur los. »Und was sollte bitte schön die Zuckerempfehlung für das Kind mit dem Husten?«
    Mansur hatte Geschmack an der Macht gefunden. Er hatte angefangen, kabbalistische Zeichen über den Köpfen der Patienten zu machen, wenn sie sich vor ihm verneigten. Er starrte Adelia an. »Zucker gegen Husten«, sagte er.
    »Bist du jetzt auf einmal Arzt? Zucker mag ja das arabische Gegenmittel sein, aber er wird in diesem Land nicht angebautund ist sehr teuer und hätte verdammt noch mal in diesem Fall kein bisschen genutzt.«
    Sie stapfte in die Küche, schöpfte sich Wasser aus der Tonne und warf den

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