Die Totenmaske
immer bedrohlicher erschien.
Leons Miene zeigte Ratlosigkeit. Im nächsten Moment weiteten sich seine Augen, als oben am Treppenabsatz ein Schatten auftauchte. Ehe Zoe sichs versah, beförderte ein heftiger Stoß von Leon sie von der Treppe weg. Sie landete hart auf dem Boden. Ein Stechen in ihrer Brust nahm ihr die Atemluft, und Blitze tanzten vor ihren Augen.
Leon versuchte, der Bodenvase auszuweichen, die jemand mit voller Wucht die Treppe hinunterwarf, wurde jedoch an der Schläfe getroffen. Er taumelte zurück, fing sich aber wieder. Die Vase krachte an die gegenüberliegende Wand und zerschellte in tausend Stücke. Zoe hob schützend ihren Arm vor das Gesicht und schrie auf.
Im nächsten Augenblick kam Josh die Treppe heruntergerannt, stützte sich auf halber Höhe ab und trat mit beiden Füßen gegen Leons Kopf.
Einen Herzschlag lang herrschte absolute Stille. Zoe stockte der Atem. Leon lag regungslos auf dem Boden, während Josh den Rest der Treppe mehr herunterrutschte, als dass er rannte, und letztlich mit einem Satz seitlich über das Geländer flankte. Erschrocken wich Zoe rücklings aus dem Weg. Doch Josh rannte an ihr vorbei, ohne sie zu beachten, die blanke Panik im Blick. Er war kaum wiederzuerkennen. Wie eine Spukgestalt schoss er den Flur entlang und verschwand durch die Hintertür.
Zoe sprang auf die Füße und lief zu Leon hinüber, um seinen Puls zu prüfen. Gott sei Dank! Er atmete. Ohne weiter darüber nachzudenken, machte sie kehrt und folgte Josh durch die Hintertür. Sie rannte auf das Waldstück zu, von dem sie annahm, dass Josh dort verschwunden war. Ihr Blut pulsierte durch ihre Adern. Fassungslosigkeit und die Sorge um Leon spornten sie an. Der Wind rauschte in ihren Ohren, während sie das unebene Waldstück voller Hindernisse meisterte wie die Rennstrecke auf dem Sportplatz. Ihr Herzschlag beschleunigte sich im gleichen Maße, wie sie an Tempo zunahm. Der Gedanke an Leon löste den zwingenden Impuls aus, zu ihm umzukehren. Sie verdrängte die Angst um ihn. Bestimmt würde er bald wieder zu sich kommen. Es war sinnvoller, wenn sie versuchte, Josh zu ergreifen, bevor er ihnen endgültig entwischte.
In einiger Entfernung tauchte Josh zwischen den Bäumen auf, um im nächsten Moment wieder zu verschwinden. Zumindest konnte Zoe die Richtung ausmachen, in die er sich bewegte. Schleichwege hin, Schleichwege her – ihr genügte ein gesunder Orientierungssinn, um den Versuch zu unternehmen, ihm den Weg abzuschneiden. Immerhin kannte sie sich im Wald ebenso gut aus wie Josh. Sie zog scharf nach rechts, sprang über einen umgestürzten Baumstamm und spurtete einen Abhang hinunter. Immer wieder rutschte sie auf feuchtem Laub aus, fing sich und lief weiter. Der Schweißfilm in ihrem Gesicht wurde vom Gegenwind getrocknet. Dafür, dass sie völlig untrainiert war, war ihre Kondition beachtlich. Dennoch ging ihr langsam die Puste aus. Schräg vor ihr rannte Josh den Abhang hinunter und würde gleich ihren Weg kreuzen. Ausgerechnet jetzt setzte das Seitenstechen ein! Zoe rutschte auf ihrem Hinterteil ebenfalls den Abhang hinunter und wappnete sich zum Endspurt. Es war knapp, doch reichte es noch aus. Sie schnitt Josh den Weg ab.
Er blieb so abrupt stehen, dass er stürzte, sich aber auf den Ellbogen abfing und sofort wieder aufstand. Seine Augen suchten wild die Umgebung ab, sein ganzer Körper schien angespannt, in Fluchtalarm versetzt.
»Josh!«, keuchte Zoe und hielt sich die Seite. »Hör auf damit, das ist doch sinnlos! Du kannst nicht ewig davonlaufen.«
Erst jetzt bemerkte sie das Gewehr in seiner Hand. Sie wich ein Stück nach hinten. Josh war vorhin so schnell an ihr vorbeigerauscht, dass sie die Waffe übersehen haben musste. Er wirkte unschlüssig. Sein Körper schwankte, als versuchte eine unsichtbare Kraft, ihn zum Weiterlaufen zu bewegen. Sein Blick fixierte Zoe, schien abzuwägen, ob er ihr vertrauen konnte oder nicht.
»Warum hast du das getan?!«, schrie Zoe ihn an.
Eigentlich gab es genügend Gründe, um Angst vor Josh zu haben. Doch Zoe erging es seltsamerweise nicht so. Stattdessen wurde sie wütend. Ihre Frage sollte ihn ablenken.
»Weil es nicht anders ging. Alles lief gut, bis auf einmal die Polizei hier auftauchte, wegen dieses toten Bastards und seiner Kumpel!« Joshs Stimme kippte, changierte zwischen tief und schrill. Er schwitzte. Tränen und Rotz rannen sein Gesicht hinab. Da er mit beiden Händen das Gewehr fest umklammert hielt, konnte er sich seine Brille
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