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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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kribbelndes Gefühl zog plötzlich durch Zoes Brust, als sie einen der verrauchten Gänge betrat, die, düsteren Höhlengängen gleich, zu den verschiedenen Themendiskotheken führten. Die von einzelnen funzeligen Lichtern beleuchtete Enge schien sie erdrücken zu wollen. Irritiert widerstand sie dem Drang, umzukehren, weil sie sich auf einmal fragte, was sie hier überhaupt wollte. Ihr Herz flatterte unter dem seltsamen Anflug von Beklemmung. Hinter ihr erklangen die Stimmen weiterer Gäste. Zoe beeilte sich und trat kurz darauf in den von tosender Elektromusik erfüllten Raum.
    Von einer Spiegelwand lächelte ihr Loretta entgegen und hob schwungvoll beide Daumen nach oben. Kaum zu glauben, wie lang ihre Beine in diesen Schuhen waren! Zoes Herzschlag beruhigte sich.
    Sie ging auf die Bar zu, um sich etwas zu trinken zu bestellen. Eine Weile stand sie dort und nippte an ihrem Wodka-Eistee. Ein Glas würde ihr nichts ausmachen. Der Abend war noch lang. Bis sie wieder ins Auto stieg, wäre der Alkohol in ihrem Körper abgebaut. Vorerst strömte er warm in ihre Gliedmaßen. Die Musik dröhnte lautstark in ihren Ohren. Bässe vibrierten in ihrem Magen und verbanden sich dort zu einem tiefen Grollen. Das rhythmische Zucken der vielfarbigen Scheinwerfer warf ein schwaches Licht auf die Gesichter der Umstehenden. Zoe stellte ihr Glas ab und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Tresen. Mit einer fließenden Bewegung zog sie das schulterfreie Top aus Demin über ihrem Dekolleté in Form und zupfte an ihrer pinkfarbenen Perücke. Es war nicht nötig, zu überprüfen, ob sie saß, weil der Pagenschnitt mit doppelseitigem Hautklebeband gesichert war. Ihr Lieblingssong wurde gespielt. Sie stieß sich vom Tresen ab und marschierte auf die Tanzfläche zu.
    Die Hüftjeans war so eng wie eine zweite Haut, aber glücklicherweise aus Stretch. Einzig der breite Ledergürtel ließ Zoe spüren, dass sie überhaupt etwas anhatte. Mit wippenden Hüften bewegte sie sich im Takt der Musik und genoss die Blicke der Umstehenden. Dabei mutete ihre Aufmachung zwar exzentrisch, aber bei weitem nicht außergewöhnlich an.
    Im Pydna trafen die schillerndsten Figuren zusammen, um in gemeinsamer Anonymität zu feiern. Sie hielt sich vorwiegend im Trance- Bereich auf, weil sich die harmonischen Rave-Klänge nahtlos ihrer Wandlung anpassten.
    Mit weit ausladenden Armbewegungen verschaffte Zoe sich genügend Platz auf der überfüllten Tanzfläche. Über die meisten Köpfe konnte sie mit den Absätzen problemlos hinwegblicken. Doch überwiegend hielten die Leute ohnehin einen gebührenden Abstand zu ihr, so dass sich regelmäßig eine kleine Arena um sie bildete, wenn sie tanzte. Dem Ladenbesitzer fiel sie regelmäßig auf, was sie ihrem auffälligen Erscheinungsbild zuschrieb. Einige Male war sie seiner Bitte gefolgt, ein Table-Dance-Girl zu vertreten. Allein für den Überblick, den man von dem Podest aus auf die sich wogende Menge hatte, lohnte sich der kleine exhibitionistische Ausflug an der Tanzstange. Doch Zoe beschränkte diese Einlagen auf ein paar Ausnahmen, auch wenn die angebotene Bezahlung durchaus angemessen war. Ihre Beobachtungen konnte sie auch mit festem Boden unter den Füßen machen.
    Das Buhlen der Menschen um Aufmerksamkeit und soziale Integration nahm mitunter bizarre Formen an. Zoe amüsierte das Treiben, zum größten Teil zumindest, wenn sich das Ganze nicht gerade wie ein ausgearteter Balztanz abspielte, mit einer unbedeutenden Vorhersehbarkeit. Das Ziel war ohnehin dasselbe, die Gemeinsamkeit, der Tod. Wesentlich unterhaltsamer war die Tatsache, dass jeder von ihnen eines Tages auf dem Tisch eines Bestatters landen würde. Es war nicht einmal schwer, sich einige Anwesende als Leichen vorzustellen. Die Frau neben der Box beispielsweise. Ihr stand der Tod ins Gesicht geschrieben, so deutlich, dass es nahezu grotesk wirkte, wie sie sich im Takt der Musik ungelenk bewegte. Weder konnte der Designer-Schlabberlook ihren ausgemergelten Körper verbergen noch eine dicke Schicht Puder die nässenden Wunden in ihrem Gesicht. Oder der Typ mit dem Nasenbluten, der vorhin in Richtung Waschraum davongeeilt war. Kurz davor hatte er an der Bar vollkommen ungeniert eine Line Crystal Meth geschnupft. Methamphetamin stellte die ungekrönte Insider-Droge dar. Billig, hochwirksam und garantiert verunreinigt.
    Jetzt stand er auf der nächsten Ebene, war über das Geländer geklettert und hielt sich mit einer Hand fest. Seinen Oberkörper beugte er

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