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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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sein Gesicht zu wahren.
    Kurz entschlossen zog Zoe das Mädchen mit sich, zurück zum geschäftigen Treiben. Boris würde es kaum wagen, ihnen zu folgen, wenn sie inmitten all der Leute standen. Tat er auch nicht, wie sich nach einem flüchtigen Blick zeigte. Er war nirgendwo mehr zu sehen.
    Gemeinsam gingen sie an den Wartenden vorbei, die sich wie eine Tierherde, aus der stets ein Mitglied auszubrechen drohte, langsam voranbewegte. Anspannung lag in der Luft. Vielleicht fühlte sich der ein oder andere doch beschämt angesichts der Zivilcourage einer Frau, weil niemand eingegriffen hatte, obwohl es von kräftigen Kerlen nur so wimmelte. Feiglinge! Am liebsten hätte Zoe ihnen ihre Verachtung ins Gesicht geschrien.
    Jedem, der es wagte, sich auch nur andeutungsweise zu beschweren, weil sie sich vordrängelte, warf sie einen vernichtenden Blick zu. Für sie hatte niemand hier den Anstand verdient, dass sie sich ebenbürtig einreihte, also nutzte sie ihren Vorteil. Diese Leute waren ihr nicht ebenbürtig, sondern hätten tatenlos dabei zugesehen, wie ein Mädchen in ihrer unmittelbaren Nähe belästigt wurde. Ein sehr junges Mädchen, wie Zoe sich versicherte, indem sie kurz von der Seite eine der babypoglatten Pfirsichwangen musterte.
    »Ich heiße nicht Mia, sondern Susi.«
    »Auch nicht viel besser«, knurrte Zoe. »Wie alt bist du?«
    »Achtzehn«, kam es wie aus der Pistole geschossen.
    »Na klar!« Zoe schnaufte belustigt. »Achte wenigstens darauf, in Zukunft nicht allein hier draußen rumzuhängen, okay?«
    Das Mädchen nickte eifrig. »Ich kapier das nicht, der Typ war richtig nett … vorher.«
    »Kann ich mir vorstellen.«
    »Krasse Aktion von dir, echt!« Das Mädchen gestikulierte begeistert mit seinen Armen, während es sich bemühte, mit Zoe Schritt zu halten.
    »Mmh«, machte Zoe. Sie hatte nicht vor, ihre Beziehung zu der Kleinen zu vertiefen.
    Der hellerleuchtete Eingangsbereich kam in Sicht. Daneben erhob sich ein ehemaliger Kontrollturm in den nächtlichen Himmel. Verwitterte Reste alter amerikanischer Reklameplakate hingen an einer mit Stacheldraht gesäumten Mauer wie Geister der Vergangenheit. Zoe konnte sich kaum einen größeren Kontrast vorstellen, als diese pulsierende Techno-Stadt inmitten der Wiesen und Wälder des Hunsrücks. Der Türsteher grinste breit bei ihrem Anblick und nahm sich wie üblich Zeit, Zoe von oben bis unten zu begutachten. Er warf einen Blick auf ihren VIP-Ausweis, auf dem ihr Name stand.
    »Grüß dich, Loretta.« Er runzelte die Stirn, bis die Wellen seinen kahlköpfigen Schädel erreichten.
    Ihm war deutlich anzusehen, dass er überlegte, wieso ihm der Name vertraut, die dazugehörige Person ihm dagegen völlig unbekannt war. Ohne weiter darauf einzugehen, löste er das Absperrseil vom Poller. Ein guter Türsteher zeichnete sich eben über ein angemessenes Maß an Diskretion aus.
    »Hi, Jo«, erwiderte Zoe und zog das Mädchen hinter sich her. Alle Türsteher hießen bei ihr Jo. Bisher hatte sich noch keiner beschwert. Diese muskelbepackte Ausgabe schätzte sie sogar ein bisschen. Sie mochte den Klang ihres Namens, wenn er ihn aussprach und dabei melodiös das R rollte.
    »Kann es sein, dass ich dich schon öfter gesehen habe?«, plapperte Susi neben ihr munter weiter.
    »Wohl kaum.«
    Das Mädchen zog seine Vermutung aus der Tatsache, dass der Türsteher sie als VIP-Gast behandelte, und fand es anscheinend ziemlich schick mit ihr vorgelassen zu werden.
    Es war kaum möglich, dass jemand Zoe erkannte. Sie tauchte jedes Mal in einer völlig anderen Aufmachung im Pydna auf. Dabei legte sie besonderen Wert darauf, keinerlei persönliche Merkmale zur Schau zu tragen. Bloß keinen Wiedererkennungswert erzeugen! So erinnerten sich die Leute allenfalls an einen besonderen Paradiesvogel unter zahlreichen exzentrischen Besuchern.
    »Du heißt also Loretta.«
    »Manchmal«, erwiderte Zoe kurz angebunden.
    Anscheinend hatte das Mädchen vor, sich an sie zu hängen. Aus Dankbarkeit oder weil es ihr einfach cool erschien, in Begleitung eines Stammgastes zu sein. Wie auch immer, den Schrecken hatte es wohl recht schnell überwunden.
    Im Eingangsbereich trennte Zoe sich mit ein paar Floskeln von Susi, dass sie sich bestimmt wiedersehen würden. Gerade noch rechtzeitig verkniff sie sich, ihr ein paar mütterliche Ratschläge mit auf den Weg zu geben. Das hätte gerade noch gefehlt! Susi zog eine Schnute, trollte sich aber bald und verschwand im Bereich Mainstream-Disco.
    Ein

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