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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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auf den Rand zuzubewegen, um wieder atmen zu können. Es war einfacher, mit dem Strom zu schwimmen, wenn man einmal ins Wasser gefallen war.
    Boris stand so plötzlich vor ihr, dass sie nach Luft schnappen musste. Es gelang ihr gerade noch, ihren Schrecken mit einem gespielten Lachen zu tarnen. Einen Herzschlag lang war es wieder da, dieses Flattern in der Magengrube, wenn sie ihn ansah. Die Erinnerung überrollte sie wie eine Lawine. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte sie beinahe alles dafür gegeben, in dieser Art von ihm angesehen zu werden. Überhaupt von dem damaligen Oberstufenschüler beachtet zu werden, glich damals einem Tagtraum, in dem Zoe nur allzu gern schwelgte. Doch sie war drei Jahre jünger und in der Mittelstufe gewesen, was so viel bedeutete, wie unsichtbar zu sein.
    Aber das war lange her. Zoe machte einen Satz nach hinten, als sie Boris’ Hand auf sich zukommen sah. Bloß nicht anfassen! Nicht diese Hände! Nie wieder wollte sie sie auf sich spüren. Ihre Kehle schnürte sich zu, als Widerwille in ihr hochkochte. Sie machte eine ausladende Tanzbewegung mit den Armen, um ihn auf Abstand zu halten. Das Lächeln war auf ihrem Gesicht festgefroren. Eine Maske.
    »Hey, Schnecke! So sieht man sich also wieder!« Er beugte sich so weit vor, dass sein Atem ihre Wange streifte. »War ganz schön frech von dir, da draußen.«
    Zoe drehte ihr Gesicht zur Seite. Sie verkniff sich eine Grimasse und setzte eine möglichst unbeteiligte Miene auf, was ihn anscheinend dazu anspornte, sich mit wiegenden Hüften vor ihr zu bewegen. Beinahe hätte sie über seine ungelenk wirkende Anmache gelacht.
    »Sag mal, sehe ich aus, als ob ich ein Schlauchkleid trage und anschaffen gehe?!«, rief sie gegen den Lärm an. Für gewöhnlich reichten solche Sprüche, um unerwünschte Mittänzer zu vertreiben.
    Boris spitzte bedeutungsvoll die Lippen. Unglaublich! Ihre Aufmachung verströmte zwar einen Hauch Ruchlosigkeit, stellte aber sicher keine Einladung für Schmeißfliegen dar. Seine Hartnäckigkeit nervte, seine Gegenwart war ohnehin kaum zu ertragen. Zoe drehte sich auf dem Absatz um und verließ die Tanzfläche.
    Vor dem Gang zu den Toiletten holte er sie wieder ein. Erschrocken fuhr sie herum, als sie seine Hand auf ihrer Schulter fühlte. Damit brachte sie sich in die ungünstige Position, mit dem Rücken gegen die Wand zu stehen.
    Boris wäre nicht Boris gewesen, wenn er sich das nicht augenblicklich zunutze gemacht hätte. Ehe Zoe sichs versah, stemmte er beide Hände neben ihrem Kopf an die Wand. Platzangst war ein Witz gegen das Gefühl unerträglicher Beklemmung, als sein Oberkörper sie fixierte wie ein Schraubstock. Sie hatte seine Kraft unterschätzt. Sein Gesicht näherte sich langsam, aber unaufhaltsam. »Es ist nicht nett, mich einfach so stehen zu lassen.«
    Zoe stockte der Atem. In seinen Augen glomm der Irrsinn, genau wie an jenem Nachmittag. Wieder überrollte eine Sturmflut aus Erinnerungen sie. Angst kroch ihr Rückgrat hinauf. Der Lärm um sie herum drang wie durch eine dicke Schaumstoffschicht zu ihr. Übertönt vom hämmernden Schlagen ihres Herzens. Blinkende Neonlichter sammelten sich hinter Boris und bildeten einen Feuerkranz um seinen Kopf. Ein Dämon aus der Hölle. Instinktiv versuchte Zoes Körper, sich aus seinem Griff zu befreien, was nur ein nutzloses Zucken zur Folge hatte. Ihr Verstand setzte aus. Schwindel brauste über sie hinweg, als sein Unterkörper sich gegen den ihren presste. Die kalte Wand hinter ihr verwandelte sich in verfaultes Laub und knorrige Äste. Ruckartig drehte sie den Kopf zur Seite. Seine Lippen trafen auf ihren Hals, wo sie sich augenblicklich festsaugten, als wollten sie nie wieder loslassen. Sein Geruch hüllte Zoe ein wie ein nicht enden wollender Alptraum. Gerüche vergaß man niemals. Ihre Seele wand sich gequält. Ein Schrei kroch ihre Kehle hinauf, erstarb unter dem Geschmack bitterer Galle zu einem sinnlosen Krächzen.
    Für die Umstehenden mussten sie wie ein Liebespaar in inniger Umarmung wirken. Erneut unternahm Zoe einen verzweifelten Versuch, sich zu befreien. Keine Chance. Ihre Muskeln verwandelten sich in Gummi wie in einem dieser Träume, in denen man mit aller Kraft versucht, zu rennen, sich aber nicht von der Stelle bewegt.
    Es war Loretta, der es gelang, ein Knie mit voller Wucht zwischen seine Beine zu rammen. Durch den Stoff seiner Hose konnte sie ausmachen, dass sie einen schmerzhaften Treffer gelandet hatte.
    Mit einem Aufschrei, der nun

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