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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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doch ein Paar Leute aufmerksam machte, krümmte Boris sich zusammen. Unterdessen versuchte Zoe, hektisch die Entfernung zum Ausgang abzuschätzen. Zu weit. Doch der Waschraum dürfte erreichbar sein, bevor er sich wieder erholte. Das Rauschen in ihren Ohren wurde stärker.
    »Verdammte Schlampe! Tickst du noch richtig?! Erst machst du mich an, und dann trittst du mir in die Eier!« Mit schmerzverzerrtem Gesicht richtete er sich umständlich wieder auf.
    Zoe keuchte entsetzt auf. »Wie kannst du so was behaupten?!«
    »Keine Ahnung!«, brüllte er. »Du hättest wohl kaum die ganze Zeit selig gegrinst, wenn es dir nicht gefallen hätte.«
    Schlagartig kehrten die Geräusche zurück. Ohrenbetäubend. Zoe erbrach sich auf den Boden und konnte gerade noch verhindern, sich selbst zu besudeln.
    »Ist ja ekelhaft!« Boris spuckte vor ihr aus.
    Sie schlug sich die Hand vor den Mund, drehte sich zur Seite und lief in den Gang zum Waschraum. Mit der Schulter drückte sie die Tür auf. Ein Blick in den grell beleuchteten Raum zeigte, dass alle Waschplätze belegt waren. Kurzerhand schubste Zoe eine Frau zur Seite und beugte sich würgend über das Becken.
    »Ey, geht’s noch? Wohl ’nen falschen Trip geschmissen«, beschwerte die Vertriebene sich.
    Der Geruch von Erbrochenem vertrieb die meisten aus dem Waschraum. Nachdem das Würgen nachgelassen hatte, hob Zoe den Kopf.
    »Warum hast du ihn angelächelt?«, fragte sie anklagend ihr Spiegelbild. Tränen brannten in ihren Augen.
    »Mach dir nichts draus, Kleine! Jeder kann sich mal irren«, sagte eine andere Frau und legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter.
    »Geh weg!«, kreischte Zoe ihr Spiegelbild an.
    Hinter ihr wich die Frau erschrocken zurück. »Ist ja gut, reg dich ab!«
    Doch Zoe nahm keine Kenntnis von ihr, sondern starrte weiterhin auf das fremde Gesicht im Spiegel. Ihre Arme zitterten unter der Last, mit der sie sich aufstützte. Verschmierte Wimperntusche bildete schwarze Schatten unter ihren verheulten Augen. »Verschwinde, Loretta! Ich pack das nicht …« Sie schluchzte auf. Speichel und Tränen tropften auf verdreckte Keramik. »Ich komme nicht gegen ihn an. Also, geh, und lass mich in Frieden!«
    Sie richtete sich auf und nahm nur schemenhaft wahr, dass die übrig gebliebenen Frauen sie wortlos anstarrten, als wäre sie eine Geisteskranke.
    »Ich bin Zoe«, murmelte sie vor sich hin. Das Beben in ihren Schultern ließ langsam nach. Sie richtete sich zur vollen Größe auf und fing damit an, die Silikonmasse von ihren Wangen zu pellen. Stückchenweise zog sie die gallertartige Substanz ab, ohne dabei ihre Haut zu verletzen. Hinter ihr kreischte ein Mädchen auf. Erst nach mehreren Versuchen gelang es ihr, die Tür zu öffnen und hinauszulaufen.
    Zoe riss sich die pinkfarbene Perücke vom Kopf und schleuderte sie in eine der Toilettenkabinen. Sie zupfte an ihren angeklebten Wimpern, die kurz darauf auf den Boden fielen wie zerquetschte Spinnen. Nun war sie allein. Ganz allein. Aus dem Spiegel blickten ihr große traurige Augen entgegen. Ihr blasses Gesicht umrahmt von einer Flut dunkler Locken, die leichter zu bändigen waren, als man glaubte. Wie betäubt ging sie langsam zur Tür hinaus in Richtung Ausgang. Ihre Beine bewegten sich wie von allein, vorbei an leeren Gesichtern und unbedeutenden Körperhüllen. Sie hatte die Nerven verloren, doch sie würde sich wieder fangen. Den Scherbenhaufen konnte sie erneut unter den schützenden Teppich der Vergessenheit kehren.
    Draußen angekommen, reagierte Zoes Körper ohne ihr Zutun. Sie rannte los, blindlings. Nur ein Mal hielt sie inne, um die hohen Schuhe abzustreifen und achtlos zurückzulassen. Sie ignorierte den peitschenden Regen in ihrem Gesicht. Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet und die Straßen überflutet. Sie fühlte den Widerstand der aufspritzenden Pfützen unter ihren Füßen. Ihr Verstand hinkte behäbig hinterher, als befände er sich in einer parallelen Zeitzone. Zoe hörte nicht auf, zu laufen. Ihre Lungen drohten zu bersten, Seitenstiche ließen sie humpeln. Als sie ihr Auto erreicht und sich auf den Sitz geworfen hatte, ging ihr Atem stoßweise. Vornübergebeugt unterdrückte sie ein erneutes Würgen.
    Allmählich verlangsamte sich ihr Herzschlag, bis ihre Atmung ruhiger wurde. Von der Rückbank holte sie ihre Jacke, hüllte sich darin ein und lauschte dem prasselnden Regen auf dem Autodach. Die letzte Energie verwandte sie darauf, möglichst nicht zu denken. So lange, bis die

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