Die Totenmaske
war.
Willi lehnte sich mit einem zufriedenen Grinsen in seinem Stuhl zurück. »Ja, wie es aussieht, haben wir unseren Tatort.«
Er schob die Akte über den Tisch. »Das Alter der Reifenspuren entsprach stundengenau dem Todeszeitpunkt der Opfer.«
»Und der Wagen von Boris Nauen konnte identifiziert werden«, ergänzte Leon.
»Es fahren nicht viele Chevrolets durch den Hunsrück, so dass wir ziemlich sicher davon ausgehen können, dass es sich um seinen Wagen handelt.«
Leon nickte. »Außerdem wurden mikroskopisch kleine Partikel von gelber Lackfarbe neben den Reifenspuren gefunden.«
»Die detaillierten Untersuchungen vom Unfallort werden mit Sicherheit eine Übereinstimmung bringen.«
Es gab immer Restspuren an Gebrauchsgegenständen, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen waren. Abnutzungsspuren wurden sie genannt, wenn ältere Fahrzeuge zum Verkauf angeboten wurden. In diesem Fall dürften die Absplitterungen am Lack möglicherweise vom Todeskampf der Insassen herrühren. Hände, die sich an den Rand gekrallt, oder Ringe der Opfer, die zu Abschürfungen geführt hatten. Zufrieden darüber, dass seine Annahme sich bestätigte, blätterte Leon weiter im Bericht. Allerdings verging ihm das Lächeln, als er auf einen der ermittelten Namen von Personen stieß, deren Spuren am Tatort eindeutig nachgewiesen worden waren.
»Josh Ziller?« Leon blickte von der Akte auf.
»Er und höchstwahrscheinlich einige andere Jugendliche nebst den Opfern«, erläuterte Willi.
Laut Bericht stammten die Fingerabdrücke am Fotodöschen von dem Jungen. Leon blätterte weiter. Zusammen mit den Fingerabdrücken aus dem Fall der versuchten Vergewaltigung an Zoe war das eindeutige Ergebnis ermittelt worden. Die Zeugenaussagen aus Leons Bericht steuerten ihren Teil dazu bei und rückten den Jungen in den engeren Kreis der Tatverdächtigen. Betrübt schüttelte Leon den Kopf. Ein minderjähriger Dreifachmörder war immer etwas anderes und konnte das Weltbild schon ins Wanken bringen. Anderseits war dieser Junge noch jünger gewesen, als er Zoes Angreifer, ohne zu zögern, den Gewehrkolben übergezogen hatte, statt auf seinen Vater zu warten, der ihm unmittelbar gefolgt war.
»Warum wurden damals die Fingerabdrücke des Jungen genommen?« Leon erwartete eine Antwort über übereifrige Kollegen im Hunsrücker Dezernat, denn gegen Josh hatte damals schließlich kein Tatverdacht bestanden – im Gegenteil.
»Weil der Vater von Boris Nauen eine Anzeige wegen Körperverletzung eingereicht hatte. Der Schlag auf den Kopf hatte wohl eine Gehirnerschütterung nach sich gezogen.«
Leon schnaubte. Eine unmittelbare Gegenanzeige erfolgte nicht selten bei einem begründeten Strafverdacht. Wenigstens führte das für gewöhnlich zu nichts. Anscheinend hielten sowohl Juristen als auch Richter es für unglaubwürdig, wenn ein überführter Straftäter sich anstrengte, in die Opferrolle zu schlüpfen.
Leon blätterte in der Akte. »Das Verfahren wurde eingestellt, weil der Junge damals mit dreizehn noch nicht dem Jugendstrafrecht unterlag.«
Willi nickte. »Und der Vorwurf letztlich als banal deklariert worden war.«
»Richtig so!«
Sein Chef enthielt sich einer Antwort, doch Leon wusste auch ohne Worte, dass sie einer Meinung waren.
»Da wäre aber noch etwas«, fügte Willi hinzu. »Der Junge gab damals zu Protokoll, dass er wohl besser härter hätte zuschlagen sollen, und deutete an, es bei der nächsten Gelegenheit zu tun.«
»Eine Morddrohung von einem Vierzehnjährigen? Das kann wohl kaum jemand ernst genommen haben.«
Willi nickte. »Wenn jedoch damals Boris' Vater davon Wind bekommen hätte, was der Junge da leichtfertig von sich gegeben hat, wäre womöglich noch eine Anzeige wegen versuchten Totschlags dazugekommen.« Willi winkte ab. »Fakt ist, dass der Name Josh Ziller nun wieder im Zusammenhang mit einer Straftat auftaucht. Dieses Mal ist es ernster. Die Spuren des Jungen wurden am Mordtatort gefunden, was ihn dringend verdächtig macht. Abgesehen davon scheint er keinen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber den Opfern zu machen, wie ich deinen Befragungen der Birkheimer Bürger entnehmen kann.«
Tatsächlich wurde in den Aussagen immer wieder Joshs Eigenart erwähnt, lautstark über Boris Nauen herzuziehen. Für die meisten handelte es sich nicht um mehr als die ungehaltenen Ausbrüche eines Teenagers, eines Außenseiters. Für andere stellten die Sprüche des Jungen Hasstiraden dar, resultierend aus dem »Zusammenstoß«
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