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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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Prostituiertenmorde wieder auf?«
    Willi zog leicht die Schultern hoch. »Es gibt Hinweise auf einen Zusammenhang. Anscheinend haben wir es mit einer organisierten Bande zu tun, angeführt von Sören Hellmann und seinen Handlangern.«
    *
    Zu Lebzeiten hatte Peter Suhr das Haar vorn lang getragen, so dass sein Gesicht eine asymmetrische Form annahm. Der lange Pony reichte ihm als mit Haarlack fixiertes Haarbrett bis zum Kinn hinunter. Es war eigenartig, sein ovales Gesicht nun vollständig vor Augen zu haben wie den Vollmond, den man vorher nur als zunehmenden Mond kannte.
    Unter dem Kopf des Leichnams lugte ein Plastikbeutel hervor – wie der Hinweis einer Bauanleitung, damit der verzweifelte Käufer sofort wusste, an welche Stelle das Einzelteil gehörte. Allerdings war das nicht schwer zu erraten bei einer Leiche, der die komplette Schädeldecke fehlte. Zoe verzog das Gesicht und beförderte den plattgedrückten Beutel hervor. Irgendjemand hatte sich die Mühe gemacht, ihn luftdicht zu verschließen. Das Vakuum löste sich beim Aufreißen mit einem leisen Zischen. Der Inhalt erinnerte an das Rückenhaar eines Yorkshireterriers nach einem Spaziergang bei feuchtem Wetter. Der Geruch, der nun durch die Verbindung mit Sauerstoff ausströmte, dürfte ähnlich sein. Deshalb also die luftdichte Verpackung. Sehr vorsorglich!
    Einer der Friedhofsgärtner trug ein Toupet mit langem leicht gewelltem Braunhaar. Seine Kollegen nannten ihn hinter vorgehaltener Hand Fifi. Die Ähnlichkeit war frappierend, wenn man von dem großen Hautlappen absah, an dem die Haare hingen. Haut und Blutgefäße des Skalps waren bräunlich verfärbt und ledrig wie bei einer naturgetreuen Requisite für einen Western.
    Es klebten keine Blutreste im Haar, weil Peter Suhr schon tot war, als seine Haare sich in der zersplitterten Windschutzscheibe verfangen hatten. Dafür gab es neben feinen Glassplittern jede Menge getrocknete graue Gehirnmasse, Schmutzreste sowie ein sauber abgesägtes Stück Schädelknochen. Sein Körper muss beim Sturz von dem Abhang mit voller Wucht hinauskatapultiert worden sein, so dass er sich an der zerbrochenen Windschutzscheibe des Cabriolets selbst skalpiert hatte. Mit einer Pinzette zog Zoe alle greifbaren Überreste aus den Haarsträhnen und sammelte sie in einer metallenen Nierenschale.
    Es war nicht der erste Skalp, den sie zu sehen bekam. Vor einiger Zeit hatte sie einen toten Mann aus seiner Wohnung geholt. Es gab keine Angehörigen. Erst nach Wochen hatten Fußgänger den Gestank bemerkt, der aus dem Erdgeschoss des Einfamilienhauses strömte. Er schien sich zum Sterben auf sein Sofa gelegt zu haben, von dem er nach einer Weile aufgrund des voranschreitenden Verwesungsprozesses hinuntergerutscht war. Die schwarze teerartige Masse, in die sich die Rückseite seines Körpers aufgelöst hatte, war nur schwierig vom Veloursteppich zu lösen gewesen. Sein Skalp hatte sich entfernt und war mit ausgefransten Rändern heruntergeklappt wie ein schauriges Halloween-Utensil. Wenn ein Leichnam längere Zeit lag, löste sich alles von ihm ab.
    Zoe schäumte in einer Plastikschüssel mit Haarshampoo eine Seifenlauge auf, legte den Skalp hinein und reinigte ihn mit vorsichtigen Bewegungen. Durch das Wasser weichte die amputierte Kopfhaut etwas auf, wurde nachgiebiger, was die spätere Rekonstruktion am Schädel leichter machen würde.
    Für Josh wäre der Zustand dieser Leiche sicher interessant gewesen. Zoe hätte ihn gern dabeigehabt. Nicht immer war ihr danach zumute, doch manchmal brachten seine witzigen Sprüche eine willkommene Abwechslung in ihre Routinearbeiten. Sie konnte ihn förmlich vor sich sehen, wie er sich mit spitzbübischem Grinsen darüber lustig machte, dass sie besser hätte Friseurin werden sollen. Ein Lächeln schlich sich in ihre Mundwinkel, während sie den Skalp in der einen Hand hielt und mit der anderen die Haarsträhnen auswrang.
    Seltsam, dass Josh sich immer noch nicht gemeldet hatte! Normalerweise kriegte er sich schnell wieder ein, wenn sie eine Auseinandersetzung hatten. Meist rief er schon am selben Abend an oder schickte eine SMS mit völlig beiläufigem Inhalt, als wäre nichts geschehen. War es meistens auch nicht. Sie stritten und vertrugen sich wieder. Keiner von ihnen hinterfragte irgendetwas, sie verstanden sich ohne Worte wie eine bizarre Einheit gegen den Rest der Welt.
    Eine Murmel löste sich in Zoes Hals und kullerte durch ihre Eingeweide. Ihre Mageninnenwand vibrierte. Es tat ihr

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