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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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Baseballschläger fiel, der am Fußende der Matratze gegen die Wand gelehnt worden war wie ein Miniaturmarterpfahl. Die Griffseite war blutbesudelt.
    »Verfluchter Dreckskerl!«, presste Leon zwischen den Zähnen hervor.
    Er sprang auf und bewegte sich mit gezogener Dienstwaffe auf die Tür zu. Hinter ihm schwoll das Wimmern der Frau zu einem flehenden Weinen an. Mit zusammengepressten Lippen kämpfte Leon den Drang nieder, den Tätowierten bei der ersten falschen Bewegung über den Haufen zu schießen. Er hatte schon einiges gesehen, wenn es darum gegangen war, dass Frauen zur Prostitution gezwungen wurden. Die Opfer wurden gedemütigt und misshandelt und ihr Widerstand schließlich völlig gebrochen, indem man sie mit den unterschiedlichsten Gegenständen penetrierte. Erschütternd war jeder dieser Fälle. Doch ein Baseballschläger … das war einfach krank.
    Ehe Leon den Dielenbereich erreichte, rumste die Haustür ins Schloss. Der Tätowierte war abgehauen. Vermutlich mit Lilian im Schlepptau, denn im Flur war niemand zu sehen. Alarmiert spurtete Leon los, riss die Tür wieder auf und richtete seine Waffe das Treppengeländer hinunter.
    »Polizei! Stehen bleiben!«
    Zwei Schatten entfernten sich mit überraschender Geschwindigkeit nach unten. Nur hin und wieder erschienen Hände auf dem Geländer. Eine davon gehörte zu Lilian. Ob der Kerl sie gezwungen hatte, zu fliehen, oder es ihre Entscheidung war, dürfte für den Moment irrelevant sein. Für Leon war es unmöglich, zu schießen, ohne Gefahr zu laufen, seine Schwester zu treffen. Oder einen der Nachbarn, die durch den Lärm aufgeschreckt aus ihren Wohnungen kamen.
    Hinter ihm drangen panische Worte in den Flur und hallten von den Wänden wider. In einer Sprache, die Leon zwar nicht verstand, zeugten sie dennoch unmissverständlich davon, dass die Frau drohte, vor Angst den Verstand zu verlieren. Hin- und hergerissen zwischen dem Drang, die Flüchtenden zu verfolgen oder dem Opfer beizustehen, zögerte Leon. Herrje, es war seine Schwester, die mittlerweile längst verschwunden sein dürfte! Er würde sie nicht mehr einholen können. Wohl aber die Kollegen, die das Haus observierten. Sie waren irgendwo da draußen, auch wenn Leon sie nicht bemerkt hatte. Aber das war auch der Sinn der Sache. Sie würden Lilian aufgreifen. Bestimmt.
    Leons Gedanken rasten. Leute redeten im Treppenhaus aufgeregt durcheinander. Er musste eine Entscheidung treffen. Kurz entschlossen wandte er sich um und lief in die Wohnung zurück. Das schwerverletzte Opfer brauchte dringend Hilfe. Mit entsicherter Waffe durchsuchte er jedes Zimmer, bevor er zu der Frau zurückkehrte. Sie zuckte zusammen, wie sie es vermutlich während ihres Martyriums ständig getan hatte, sobald jemand den Raum betrat. Als sie Leon erkannte, schien sie sich zu beruhigen, doch die Angst in ihren Augen würde noch eine Weile dort verharren.
    Er steckte die Waffe ein, griff nach den Fenstertüchern und setzte sich zu ihr auf die Matratze. Wie ein gequältes Tier ließ sie sich von Leon in die Tücher hüllen. Abgrundtiefe Verzweiflung und Ergebenheit lagen nah beieinander. Er legte seine Arme um ihre Schultern und wiegte sie behutsam, wie er es früher bei Lilian getan hatte, wenn sie nach einem ihrer Alpträume schreiend aufgewacht war. Über sein Handy forderte er einen Krankenwagen und Verstärkung an.
    Sein Kinn berührte den stoppeligen Kopf des Opfers. Sie saßen da und warteten. Das Einzige, was Leon im Augenblick für sie tun konnte. Einfach da sein, ihr beistehen.
    »Svenja«, wisperte die Frau kaum hörbar.
    »Svenja«, wiederholte Leon und drückte leicht ihre Schulter.
    Eine Osteuropäerin, die unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt worden war, um einem unbestimmten Schicksal in ihrer Heimat zu entfliehen. Leon schüttelte den Kopf. Es hätte ebenso gut seine Schwester sein können, die sich in diesem erbarmungswürdigen Zustand vertrauensvoll gegen ihn lehnte.
    Er schluckte schwer und starrte ins Nichts. Lilian. Wo war sie da nur wieder hineingeraten? War sie ebenfalls ein Opfer wie diese geschundene Frau oder gar mitverantwortlich? Der Gedanke fühlte sich an, als würde er rostige Nägel schlucken. Beim besten Willen konnte er sich nicht vorstellen, dass Lilian jemandem etwas antun oder tatenlos dabei zusehen würde, wie andere es taten. Es sei denn, sie hatte keine Wahl. Mit Sicherheit würde Leon bald erfahren, was Lilian mit dieser Angelegenheit zu tun hatte.
    Seinem Chef war er

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