Die Totenmaske
Mist dabei raus, um den ich mich kümmern muss!« Finke kam näher und strich sich dabei eine ins Gesicht gefallene Haarsträhne zurück. Seine Fingernägel waren so dreckig, als hätte er den ganzen Vormittag Autos repariert und nicht mit einer Pike Papierreste vom Schulhof geräumt. Eine Narbe kam zum Vorschein, zog sich an seiner Schläfe bis zur Wange herunter und verlor sich dort in einer tiefen Furche ledriger Haut.
Unwillkürlich kam Josh der Gedanke, dass die Naht am Bauch seines Froschexponats weniger wulstig war. Finkes Mundwinkel zuckte, während sein stechender Blick einen drängenden Fluchtinstinkt in Josh auslöste. Er beschloss, besser nichts zu sagen, und versuchte, an Finke vorbeizugehen, doch dieser versperrte ihm den Weg.
»Da vorn wurde schon wieder ein Kleiderhaken abgerissen.«
»Und? Was habe ich damit zu tun?«, entgegnete Josh mit fester Stimme. Wenn der Kerl noch einen Schritt näher käme, brauchte er keine Toilette mehr.
»Tja, hier ist niemand außer dir.« Finke grinste debil.
Nicht umsonst ging jeder dem Hausmeister aus dem Weg. Nur außer Hörweite nannten die Schüler ihn Quasimodo. In Wahrheit machte sich jeder in die Hosen vor Schiss, wenn der Hausmeister in der Nähe weilte.
Finkes Blick zuckte über Joshs Schulter zum Fenster hinaus. Die Sirenen der Polizeiwagen schwollen an und wurden im nächsten Moment abgewürgt. Seine Augen weiteten sich kaum merklich. Für einen Moment glaubte Josh, Furcht darin zu erkennen, was ihm aus irgendeinem Grund noch mehr Angst einjagte. Er warf einen Blick über die Schulter. Drei Mannschaftswagen hatten auf dem Schulhof angehalten. Die Beamten bewegten sich auf die Eingangstür zu. Beinahe hätte Josh erleichtert aufgeatmet. Etwas Besseres hätte ihm jetzt nicht passieren können. Finke hatte ihn im Schwitzkasten, wollte ihm irgendetwas anhängen, weil er immer Schuldige suchte, wenn er einen Schaden entdeckt hatte. Es bereitete ihm anscheinend eine Riesenfreude, Schüler zum Direktor zu zerren.
Unten wurden Türen geöffnet. Die Stimme des Direktors ertönte, ein Polizist antwortete. Es drangen nur Wortfetzen zur dritten Etage hinauf. Haftbefehl … Mordsache Nauen …
Irritiert widerstand Josh dem Drang, sich umzudrehen, um besser verstehen zu können, was da unten vor sich ging. Doch er wollte Finke nicht aus den Augen lassen. Dieser machte einen Schritt auf ihn zu. Josh zuckte zusammen, wich zurück und klammerte sich am Geländer fest. Gleichzeitig versuchte er, sich zu beruhigen. Der Hausmeister würde ihn wohl kaum das Geländer hinunterschmeißen, wenn dort unten Polizisten standen. Oder? Wer wusste schon, was Finke zu verbergen hatte! Ein zertrümmerter Schüler auf dem Parterreboden könnte für genügend Ablenkung sorgen, um zu fliehen. Joshs Magen kribbelte.
Doch Finke blieb kurz vor dem Geländer stehen, so dass ihn von unten niemand sehen konnte, und spähte hinunter. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Seine Augäpfel rollten wie Flipperkugeln in ihren Höhlen hin und her. Josh merkte, dass er die Luft angehalten hatte, die er nun hörbar ausstieß. Erneut drangen Stimmen herauf, dieses Mal deutlicher. Sehr deutlich sogar.
»Wir suchen den Schüler Josh Ziller.«
Die gemurmelte Antwort des Direktors ging in Joshs Ohrenrauschen unter.
Finke hingegen entspannte sich auf der Stelle. Seine Miene zeigte Genugtuung. »Ach nee, jetzt kriegen sie dich dran, kleiner Scheißer!«
Joshs Mund war so trocken, als hätte er eine Schaufel Sand gegessen. »Wie jetzt … im Ernst?«
Finkes verächtliches Schnaufen schickte einen Schwall üblen Atems in Joshs Nase. Er reckte das Kinn in Richtung Treppe, auf der sich nun drei Beamte nach oben bewegten.
Joshs Knie wurden weich, seine Gedanken rasten. Wieso wurde sein Name im Zusammenhang mit einem Mord genannt? Das war vollkommen unmöglich! Er musste sich verhört haben. Bestimmt. Finkes selbstgefällige Miene nahm ihm jedoch die Hoffnung. Sein Herz stolperte vor Schreck.
Panik kroch Joshs Rücken hinauf. Was auch immer die Polizei von ihm wollte, würde unweigerlich dazu führen, dass sie seinen Vater sprechen wollten. Das konnte er nicht zulassen. Dazu durfte es unter keinen Umständen kommen! Als Finke den Arm ausstreckte, um ihn zu packen, legte sich plötzlich ein Schalter in Josh um. Blitzschnell duckte er sich darunter hinweg und rannte los. Sein Kopf streifte den Ärmel des Hausmeisters, als wäre er durch eine Spinnwebe gerannt. Im nächsten Moment war er schon am anderen
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