Die Totenmaske
Ende des Flurs und stieß die Tür zum Hinterausgang auf. Rote Pünktchen tanzten vor seinen Augen, als er die Stufen hinunterraste und sich dabei wunderte, nicht zu stolpern.
Der ehemalige Dienstbotenaufgang wurde als Zugang für das Lehrpersonal genutzt. Josh näherte sich der kleinen Holztür mit dem vergitterten Fenster und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Finke sie nicht abgeschlossen hatte. Er rannte über den Parkplatz auf den Wald zu. Hinter sich hörte er warnende Rufe, denen er keine Beachtung schenkte. Sie würden ihn nicht kriegen, auf keinen Fall. Er kannte sich im Wald aus und würde sich verstecken, so lange wie nötig. Sein Atem ging keuchend, doch das bedeutete nichts. Er konnte noch stundenlang laufen, ohne schlapp zu machen. Und genau das würde er tun: Rennen, als ob sein Leben davon abhinge.
*
Leon saß in seinem Wagen auf dem Weg nach Birkheim, um Zoe Lenz über die Ergebnisse ihrer Gewebeproben zu informieren. Natürlich entsprach das nicht der üblichen Vorgehensweise, sondern mehr einer Gefälligkeit. Leon fand, sie hatte ein Recht, zu erfahren, dass sie gute Arbeit geleistet hatte. Außerdem konnte er die Gelegenheit nutzen, um mit ihr über Josh zu reden. Die Spuren am Tatort machten den Jungen tatverdächtig, was allerdings noch keinen Beweis darstellte. Dennoch lag Leon daran, mit Zoe zu reden, ihre Sichtweise zu erfahren, bevor die behördlichen Mühlen anfingen, sich zu drehen. Deutsche Bürokratie mochte zwar langsam sein, doch wehe, sie geriet einmal in Bewegung!
Im letzten Moment riss Leon das Lenkrad herum und schoss in die Rechtskurve. Diese leeren Straßen waren wirklich verlockend. Die Gedanken schweiften ebenso unmerklich ab, wie die Geschwindigkeit anstieg. Er verringerte das Tempo und ließ das Fenster hinab, damit frische Luft in den Wagen kam. Die Landstraße führte nach Birkheim, zu seiner Linken kündigten Wegweiser die Kleinstadt Emmelshausen an. Plötzlich ertönten Martinshörner in ihrer alles durchdringenden Lautstärke, eine Reihe von Einsatzwagen jagte an ihm vorbei zur Abfahrt nach Emmelshausen. Hier auf dem Land hatten sie auch noch einen höheren Frequenzwert als in der Stadt. Schnell schaltete Leon den Polizeifunk ein und steuerte die Abfahrtstraße nach Emmelshausen an. Mit knarrenden Unterbrechungen ertönten verschiedene Polizeicodes, mit denen die Beamten sich über den Verlauf ihres Einsatzes in Kenntnis setzten und möglichst wenige Informationen für unerwünschte Mithörer preisgaben. Leon hörte schnell heraus, dass anscheinend versucht worden war, einen Verdächtigen zu verhaften. Einsatzort war die integrative Gesamtschule im Ort. Verdächtige Person flüchtig.
»Das kann doch nicht wahr sein.« Leon schlug wütend gegen das Lenkrad und trat auf das Gaspedal.
Anscheinend war die Polizei auf dem Land schneller mit ihren Entscheidungen als erwartet – um nicht zu sagen voreilig. Die Staatsanwaltschaft musste sofort nach Prüfung seines Berichtes eine Vorladung ausgestellt haben.
Kurz darauf bremste er mit quietschenden Reifen vor der Schule und sprang aus dem Wagen. Vier Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht bildeten eine Phalanx vor dem Schultor. Beamte postierten entlang des Gitterzauns. Sämtliche Schüler schienen sich auf dem Schulhof versammelt zu haben, standen in Gruppen beieinander, während ihre Lehrer auf sie einredeten.
»Wer ist der Einsatzleiter?« Leon marschierte mit gezogenem Dienstausweis auf den nächstbesten Streifenpolizisten zu. »Was geht hier vor?«
Mit irritierter Miene las der Beamte Leons Namen. »Guten Tag, Kommissar Strater. Wir erhielten heute früh die Order, Josh Ziller dem Staatsanwalt vorzuführen, weil er nicht auf die postalisch zugestellte Beschuldigtenvorladung reagierte.«
»Sie meinen, er ist nicht zum Termin erschienen.« Leon musterte den Beamten.
»Es gab Probleme mit der Postanschrift.«
»Und da rücken Sie mit vier Einsatzwagen an, um einen siebzehnjährigen Schüler zu verhaften?!« Leon hatte Mühe, seine Wut im Zaum zu halten.
Der Polizist starrte ihn an. »Natürlich nicht! Die Kollegen wurden erst hinzugerufen, nachdem der Junge in nördliche Richtung in den Wald geflohen war. Im Zusammenhang mit dem Mord an den drei jungen Männern hat er sich somit verdächtig gemacht. In Kürze wird der Haftbefehl bei uns eingehen.«
Als ob das die Sache besser gemacht hätte! »Ich ermittle in diesem Fall. Warum wurde ich nicht über den Einsatz informiert?«
»Wir konnten Sie nicht
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