Die Totensammler
sie Serienmörder sind, in der Hoffnung, so Adrians Vertrauen zu gewinnen, oder haben sie das von sich gewiesen?
Er spürt, wie Panik in ihm aufsteigt. Er stemmt sich gegen die Tür und die Wände und tritt gegen die Betonschalsteine, doch es hat keinen Zweck. Er nimmt eine Münze aus der Tasche und reibt über den Mörtel zwischen den Steinen, bis er spürt, wie sich ein Betonbröckchen löst. Der Rand der Münze wird davon ganz stumpf. Mit tausend Dollar Kleingeld könnte er es schaffen, sich in zwei Jahren durch die Wand zu graben.
Er lehnt seinen Kopf gegen das Fenster und stellt sich die entscheidende Frage – was soll er als Nächstes tun? Wie’s aussieht, hat er zwei Möglichkeiten. Er kann den Professor spielen und versuchen, Adrians Version der Wirklichkeit zu durchbrechen, oder er akzeptiert sie. Adrian wird es bestimmt nicht besonders gut aufnehmen, wenn er ihm vor Augen führt, dass er sich irrt. Am besten, er spielt mit, um seine Vertrauen zu gewinnen. Erzählt diesem Irren, was er hören will. Macht weiter, um zu sehen, was passiert und wie sich das anfühlt.
Wäre er ein Spieler, würde er sich eine Drei-Zu-Eins-Quote geben, es hier rauszuschaffen. Adrians IQ ist nur halb so hoch wie seiner. Cooper weiß, was er sagt, Adrian nicht. Er muss sein Vertrauen gewinnen. Ihn loben. Immer nur ganz kleine Schritte machen. Ihn so oft es geht mit seinem Namen anreden und versuchen, eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Ihm davon erzählen, was für ein gutes Gefühl es ist zu töten. Sich mit ihm anfreunden. Ihn um ein paar Annehmlichkeiten bitten. Zunächst um was Kleines, wie bestimmte Lebensmittel. Andere Klamotten. Ihn langsam um mehr bitten, bis er ihn dazu überreden kann, ihn ans Tageslicht rauszulassen.
Schafft er das alles in vierundzwanzig Stunden? Nein. Vielleicht in achtundvierzig.
Er legt sich aufs Bett und wartet darauf, dass seine Kopfschmerzen verschwinden und Adrian zurückkehrt. Er kann jetzt nichts weiter tun, als sich in Geduld zu üben. Immer nur ganz kleine Schritte. Allerdings wird er versuchen, sie so schnell wie möglich zu machen. Und jetzt, wo er einen Plan hat, ist er schon etwas entspannter. Er hat nicht mehr das Gefühl, dass seine Chance, hier rauszukommen, bei drei zu eins stehen, son dern bei zwei zu eins. Eine gute Quote. Die Quote eines Spielers.
Kapitel 11
Würde man die Reaktion im Haus von Emmas Freund als kühl bezeichnen, nachdem sie mich wiedererkannt haben, dann bräuchte ich hier im Café trotz der Sommerhitze eine Winterjacke und einen Schal. Sicher, es war nur eine Frage der Zeit. Die Leute wissen, dass Emma vermisst wird und dass die Polizei in der Sache ermittelt, und sie haben keine Lust, mit dem Mann zu reden, der das vermisste Mädchen letztes Jahr ins Krankenhaus befördert hat. Im Haus ihres Freundes ist die Atmosphäre allmählich aufgetaut. Doch nachdem ich ein paar Worte mit dem Besitzer des Cafés gewechselt habe, taut hier nur eins auf: das halbe Dutzend Hähnchenbrüste in der Küche. Es handelt sich um einen kleinen gemütlichen Laden mit Eichenfurnierwänden, die mit spiralförmig angeordneten Glasscherben in Form von Blütenblättern beklebt sind; es gibt Croissants und belegte Sandwiches, Fleischpasteten, gehaltvolle, handtellergroße Kuchenstücke und Vanilleteilchen. Nach vier Monaten im Knast sieht das alles verdammt lecker aus. Genau wie der Kaffee. Doch ich habe das Gefühl, dass ich ihn mit Antibiotika verdünnen müsste gegen das, was der Mann hinter der Theke mir heimlich hineinrühren würde. Das Café liegt in Merivale, einen Block entfernt von der Main North Road – eine der Hauptstraßen, die aus der Stadt hinausführen. Merivale ist einer jener Vororte, die einen ganz speziellen Immobilienmarkt hervorgebracht haben. Man zahlt hier sehr viel mehr für sehr viel weniger, und besitzt man keinen Wagen mit Vierradantrieb und teure Klamotten, wird man von den Nachbarn aufgefordert, wegzuziehen. Alle tragen Hemden mit hochgeklapptem Kragen und haben die Jackettärmel aufgekrempelt, viele von ihnen laufen herum, als wäre das ganze Viertel ein Country Club. Hinter dem Café befindet sich ein Parkplatz, doch von Emmas Wagen fehlt jede Spur. Ich bin ihn bei meiner Ankunft abgelaufen und an einem Schild im Fenster mit der Aufschrift Aushilfe gesucht vorbeigekommen, ich hoffe, das Angebot bezieht sich nicht auf Emmas frei gewordene Stelle. Sie ist nicht mal zwei Tage verschwunden, und schon geht alles wieder seinen gewohnten Gang.
Der
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